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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Zeit zwar aufmerksam zugehört, mischte sich aber auch jetzt
nicht ein. »Nach dem zu urteilen, was ich über das Schwarzwachs in Erfahrung
bringen konnte«, begann Rodraeg, »kann man mit Kalk die Quelle nachhaltig
verunreinigen. Noch jetzt liegt ein Sack Kalk neben der Quellengrube. Ich bin
mir nur nicht mehr sicher, ob man die Quelle überhaupt verschmutzen darf, oder
ob das nicht ein noch verheerenderer Fehler wäre als die Verschmutzung von Bach
und Lairon-See.«
    Â»Wie kommt Ihr darauf?«
fragte Achildea angespannt.
    Â»Deterio hat etwas zu
mir gesagt, bevor er zusammenbrach. Daß diese Quelle … diese
Schwarzwachsquelle etwas mit den Göttern zu tun hat. Daß die Götter aus ihr
unsere Welt schufen.«
    Achildea barg das
Gesicht in den faltigen Händen. »Ich hatte es die ganze Zeit über befürchtet«,
war seine Stimme nur noch dumpf zu hören, dann nahm er die Hände wieder weg.
Aber seine Stimme klang immer noch seltsam beschwert. »Alles paßt zusammen.
Deshalb die Königin persönlich. Weil dies die einzige Quelle dieser Art auf dem
ganzen Kontinent ist. Seit Jahrtausenden verschollene Macht. Entdeckt vor einem
halben Jahr von einem übereifrigen Höhlengelehrten aus der Hauptstadt. Und der
Feldzug suchte und fand die zweite Quelle. Denn es gibt vier.«
    Rodraeg und Hellas
sahen sich fragend an. »Entschuldigt«, unterbrach Rodraeg das Selbstgespräch
des Alten. »Ihr sagtet gerade: Es gibt nur eine, dann: Es gibt vier?«
    Â»Es gibt nur eine von
jeder Art. Entsprechend den vier Elementen. Feuer, Wasser, Luft und Erde. Die
ursprüngliche Reihenfolge bei der Erschaffung der Welt war wohl folgende:
Zuerst war überall nur Wasser, das Wasserchaos. Aus diesem erhebt sich dann die
Erde, der Kontinent im ewigen Meer. Darauf lagert sich die Luft als der von der
Erde aufsteigende Atemdampf und Geist der Dinge. Zuoberst jedoch: das Feuer,
die feinste aller Substanzen, welche mit ihren Flammen den Sitz der Götter
berührt. Für all diese vier Stoffe gibt es ursprüngliche Quellen, die die Götter
beim Bau der Welt benutzten. Wasser in seiner reinsten Form, so klar, so hell,
so gewaltig, daß es einen Menschen zu den Göttern hinaufreißen würde, kostete
er auch nur einen einzigen Tropfen davon. Erde in ihrer reinsten Form, heiß und
schwarz und aus dem flüssigen sich verfestigend: Schwarzwachs, das es sonst
nirgends mehr gibt auf der Welt. Dann Luft in ihrer reinsten Form: etwas, so
unbegreiflich und schauerlich wie das Himmelsgewölbe, in dem wir ohne die
Götter richtungslos schwebten. Zuletzt Feuer in seiner reinsten Form: so
blendend, gleißend, verheerend, daß keine Macht der Verbrennung widerstehen
kann. Dies ist die Quelle, die im Affenmenschenland geöffnet wurde.«
    Â»Was wißt Ihr über das,
was dort geschehen ist?«
    Â»Ach richtig, Ihr wart
vier Wochen weggesperrt, es kann Euch noch nicht zu Ohren gekommen sein: Die
Überlebenden sind zurückgekehrt. Vor zwei Wochen etwa erreichte die Kunde auch
Terrek. Sechshundert Überlebende haben sich im Regenmond in die Festung Carlyr
geschleppt. Sechshundert von zweitausend.«
    Â»Was wißt Ihr noch?« Es
war Hellas, der jetzt nachfragte. Schließlich hätte er an diesem Feldzug
teilnehmen sollen.
    Â»Es gibt eine ungefähre
Abfolge der Verluste, aufgezählt von welchen, die dabei waren. Zweitausend sind
hinter die Felsenwüste gegangen. Hundert wurden verschüttet, weitere hundert
fielen nächtlichen Überfällen, rätselhaftem Fieber und giftigem Wasser zum
Opfer. Vierhundert wurden krank. Sechshundert, unter ihnen der oberste General,
starben an einem Ort namens Skorpionhügel, als ein unfaßbares, überweltliches
Feuer aufbrandete und alles vernichtete. Stahl schmolz wie Eis. Sand wurde
gläsern. Menschenfleisch verdampfte. Es gibt keine offizielle Verlautbarung darüber,
wie das passieren konnte, aber die Schilderungen gemahnen an die Quelle
reinsten Feuers aus den Überlieferungen. Danach gab es wohl einen geordneten
Rückzug. Sechshundert Gesunde und vierhundert Sieche. Von den Kranken starben
noch dreihundert, von den Gesunden einhundert auf dem Rückweg. Sechshundert
erreichten die Festung Carlyr. Hundert davon sind seitdem verreckt, an
Vergiftungen, die sie aus der Felswüste mitgebracht haben.«
    Rodraeg mußte husten
und hatte Schwierigkeiten, sich wieder unter Kontrolle

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