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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Dank.«
    Â»Die Straßen werden
jetzt voller«, berichtete Niers nach einem Blick nach draußen. »Ich werde einen
Handkarren holen. Wir legen Bestar darauf und breiten eine Decke über ihn.«
    Â»Gute Idee«, sagte
Rodraeg. Er fühlte sich matt und überflüssig. Alle wichtigen Entscheidungen
konnten die Terreker ohnehin besser treffen als er.
    Niers und Sefahe
kümmerten sich um Bestar. Während Geskara auf Kräutersuche ging und Niers einen
Karren organisierte, wuschen sich Hellas und Rodraeg gründlich, rasierten sich
die struppigen Kerkerbärte ab und kürzten sich gegenseitig die Haare mit einer
Schere. Anschließend wurden sie von Sefahe leihweise neu eingekleidet. Helle,
saubere Sachen aus Gimon Achildeas Besitz, in denen zumindest Rodraeg nicht
mehr wiederzuerkennen war. Hellas bekam noch ein ausladendes Barett auf den
Kopf gedrückt, um seine verräterischen weißen Haare zu verbergen. Die beiden
bedankten sich sehr artig bei der alten Dame.
    Bestar wurde im Garten
auf den Karren geladen. Niers ging noch einmal in den Keller hinunter und nahm
den Kruhnskriegerspeer an sich. »Wäre peinlich, wenn die Gardisten den bei Euch
im Keller fänden«, zwinkerte er Sefahe zu, die erleichtert aufatmete. Die
beiden kräftigen Terreker, die Bestar hierhergetragen hatten, zogen den Karren.
Niers schlenderte, den Speer frech über der Schulter, vorneweg und hielt
aufmerksam nach Gardisten Ausschau, Hellas und Rodraeg gingen sauber und rosig
nebenher und versuchten, möglichst unverfänglich auszusehen.
    Niers’ Hütte war
tatsächlich klein, karg und etwas windschief, aber sie stand fast außerhalb
Terreks am östlichen Waldesrand und war deshalb für Heimlichtuereien wie
geschaffen. Bestar wurde so weich wie möglich gebettet, die beiden Helfer
verabschiedeten sich mitsamt dem Karren, und Rodraeg und Hellas zwängten sich
mit angewinkelten Beinen zwischen dem Ofen und einem niedrigen Tisch auf den
harten Holzboden, um endlich Schlaf nachzuholen.
    Am späten Nachmittag
klopfte es an der Tür. Niers spähte erst hinaus und öffnete dann. Es war
Geskara, die kaum durch die Türöffnung paßte. Sie wollte Rodraeg sprechen, der
ohnehin wach geworden war und leise vor sich hinhustete.
    Â»Dies hier«, sagte sie
laut, und wedelte vor Rodraegs Nase mit einem Strauß frisch gepflückter
Doldenkräuter, »ist Marionettengras. Ihr kaut das jetzt schön langsam und
ausgiebig, immer einen Halm nach dem anderen, bis das ganze Bündel aufgebraucht
ist. Das reicht für vier oder fünf Tage – reicht es nicht, habt Ihr nicht lange
genug gekaut. Kaut es und atmet beim Kauen weit in den Rachen hinunter, dann
werdet Ihr merken, daß es sich kalt anfühlt und brennt. Viel atmen, viel atmen.
Dadurch wird das Abhusten gefördert. Den Schleim, den Ihr hochhustet,
ausspucken! Auf keinen Fall wieder runterschlucken. Ihr müßt das rausbekommen,
was in Euch ist. Wie lange wart Ihr dem Quellenqualm ausgesetzt?«
    Â»Einundvierzig Tage.«
    Â»Hm. Zehn Tage wäre
besser gewesen. Macht Euch Wasser heiß und brüht die Köpfchen vom
Marionettengras damit auf. Trinkt den Sud. Gurgelt. Ihr müßt das aus Euch
rausbekommen.«
    Â»Was habe ich denn da
in mir?« fragte Rodraeg ganz unbedarft.
    Â»Ihr habt die Quelle in
euch, die dunkle Quelle. Sie hat Euch angesteckt. Wenn Ihr nicht dagegen
vorgeht, werdet Ihr daran zugrundegehen.«
    Rodraeg fühlte sich
plötzlich so schwach und angegriffen, daß er sich am Türrahmen abstützen mußte.
»Das ist ja furchtbar. Warum habe nur ich das gekriegt? Die anderen waren genauso
lange dort drinnen, die Arbeiter sogar noch viel länger.«
    Â»Fängt jeder einen
Fisch, der durch einen Bach watet? Ist jedes Ei im Baumesschatten das Ei eines
Drachen? Ich sehe nur das Ergebnis. Ich brauche nicht zu fragen, warum der
Speer in den Leib gelangte.«
    Rodraeg nickte. Mammut
und Kreis handeln ähnlich, dachte er. Wir sehen einen fiebernden Fluß und
rennen los, um ihn zu heilen, aber wir fragen nicht, warum der Fluß verdunkelt
wurde und von wem. Genügt das, oder führt das nicht wieder und wieder in Gefangenschaft
und Vergiftung? Müßten wir nicht erst fragen, erst lernen, und danach erst
handeln? Aber zum Handeln könnte es dann schon zu spät sein. Geskara hat die
Unmöglichkeit, das Ganze zu erfassen, akzeptiert, und ist gut

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