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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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über den grünen Klee lobten, obwohl er
tatsächlich bislang noch nichts bewiesen hatte, auch sich selber nicht. Naenns
Beharren auf seinen Qualitäten kam ihm eigensinnig und unreif vor. Der Knabe
dagegen machte sich berechtigte Sorgen. Der Knabe war ein Magier, wie Rodraeg
später im Gespräch erfuhr, einer der mächtigsten Magier des gesamten
Kontinents.
    Aber Ilde Hagelfels und
Gerimmir hatten Rodraeg nur Fragen gestellt. Sie fragten ihn, was ihm ein Baum
bedeute. Er sagte, er möge Bäume und er ahne, was sie mit ihrer Frage
bezweckten, aber er könne bedauerlicherweise trotzdem nicht behaupten, Tag und Nacht
über Bäume nachzudenken. Sie fragten ihn, was ihm Wasser bedeute. Er sagte, er
brauche Wasser zum Leben, und er wisse, daß man in Wasser auch ertrinken könne,
und daß es richtig sei, daß niemand jemals auf die Idee gekommen sei, dem
Wasser dafür die Schuld zu geben. Sie fragten ihn, was ein Berg für ihn
bedeute. Er sagte, ein Hindernis auf meinem Weg oder eine Orientierungshilfe,
um den Weg überhaupt erst zu finden. Sie fragten ihn, ob er zu den Götten bete.
Er sagte »Nein«.
    Â»Haben deine Eltern dir
das als Kind nicht beigebracht?« hakte Ilde Hagelfels nach.
    Â»Doch.«
    Â»Also warum hast du
aufgehört zu beten?«
    Â»Weil nichts passierte,
nachdem ich es einmal vergessen hatte.«
    Sie erklärten ihm, daß
er sich darüber klar werden müsse, daß die Götter tatsächlich existieren. Die
Götter sind keine Legenden oder Märchen. Sie haben den Kontinent geschaffen und
ihn nun sich selbst überlassen, weil die Menschen die Götter nicht mehr
brauchen. Aber die Götter werden noch gebraucht, und zwar von allem, das nicht
menschlich ist. Und diesem allem wieder eine Stimme zu verleihen, sei
vordringlichste Aufgabe des Kreises.
    An weitere Fragen
konnte sich Rodraeg nicht mehr erinnern.
    Später hatte er mit
Ilde Hagelfels zusammengestanden vor dem einzigen Schmuck, den es in diesem
kargen, unterirdischen Raum gab: ein Wandbehang aus Reispapier, bemalt mit
einem schwungvollen, mit dickem Pinsel ausgeführten Tuschekreis, der linkerhand
nicht ganz geschlossen war.
    Â»Das ist unser Symbol«,
hatte Ilde erklärt. »Der Kreis .«
    Â»Er ist nicht ganz
vollständig.«
    Â»Richtig. Wäre er
vollständig, hieße das, daß wir Vollkommenheit und Harmonie bereits erreicht
haben. Da wir beides aber lediglich anstreben, kann der Kreis noch nicht
geschlossen sein. Sieh uns an: einer fehlt, die übrigen drei sind
unterschiedlicher Meinung. Wir sind nie ganz geschlossen. Dieses Bild
schmeichelt uns noch.«
    Â»Ihr könntet auch ein
Viereck sein, mit zwei Eckpunkten, die durch eine Linie verbunden sind, einem
Eckpunkt, der einzeln steht, und einem vierten, der auf Reisen ist.«
    Sie hatte ihn
verwundert angesehen, dann hatten sie beide gelacht.
    Wiederum später hatte
er sich mit Gerimmir unterhalten, aber er konnte sich an den Inhalt des
Gespräches nicht mehr erinnern. Nur die forschenden, melancholischen Augen des
Untergrundmenschen waren ihm noch immer gegenwärtig.
    Es hatte eine
Abstimmung gegeben für oder wider Rodraeg. Ilde, Gerimmir und Naenn hatten ihre
Hände für ihn erhoben, Riban gegen ihn. Somit war Rodraeg offiziell angenommen.
    Dann hatte er zwei
Fragen gestellt. Zuerst über die Höhe der zur Verfügung stehenden Geldsumme.
Gerimmir erklärte, daß man keine regelmäßigen Zahlungen garantieren könne, aber
das Haus in Warchaim sei im Besitz des Kreises, der Mitarbeiter vor Ort hätte
noch etwa einhundert Taler für die Einrichtung, und eine weitere größere
Geldsumme solle so schnell wie möglich nachgeschickt werden, um die Gruppe zu
bezahlen. Nun fragte Rodraeg, ob es für die Mitglieder der zu bildenden
Einsatzgruppe auch eine Liste von favorisierten Kandidaten gäbe wie bei seinem
Posten. Die Antwort war »Nein«. »Selbst wenn wir eine solche Liste hätten«,
sagte Ilde, »man hat ja gesehen, daß auch Naenn sich für jemanden entschieden
hat, der nicht auf ihrer Liste stand.« Das Finden und Einarbeiten von
geeigneten Leuten sei jetzt ganz und gar Rodraegs Sache.
    Das war es gewesen –
zumindest alles, woran Rodreag sich noch entsinnen konnte. Zum Abschied hatte
Naenn Riban gebeten, sich Rodraegs Blessuren anzusehen und diese magisch zu
heilen, damit Rodraeg seinen Warchaimer Posten nicht lädiert

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