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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ihn direkt an.
Hier unten im Halbdunkel war es leichter, ihren Augen standzuhalten. »Das
klingt wie ein Eid.«
    Â»So ist es auch
gemeint.«
    Sie riß ihren Blick
los. »Ich … ich freue mich. Ihr seid ähnlich gut zu mir wie Eria. Wir
sollten jetzt aber weitergehen.«
    Rodraeg nickte. Er war
sich nicht mehr sicher, ob er den Kreis mochte. Weil Naenn vom Kreis so sehr
belastet worden war, daß Eria ihr wieder hatte aufhelfen müssen. Weil Naenn zu
weinen anfing, wenn es zur Abwechslung mal jemand richtig gut mit ihr meinte.
Weil Naenn beigebracht worden war, sich zu entschuldigen und zu schämen für
ihre phantastischen Fähigkeiten. Weil sie ganz alleine durch eine Welt gehetzt
worden war, in der es von Wurmdrachen, Werwölfen und Ryot Melrons nur so
wimmelte.
    Rätselhaft war, daß
Rodraeg sich hinterher nicht mehr an alles erinnern konnte.
    Wie von einzelnen
Blitzen erhellt, standen einige Situationen und Gesprächsfetzen, die sich beim
Treffen mit dem Kreis ergeben hatten, noch genau vor seinem geistigen Auge,
doch obwohl das Ganze nur eine Zwölftelstunde oder noch weniger her war,
fehlten ihm ganze Zwischenteile.
    Das mußte an dem
duftenden Rauch liegen, der überall gewabert hatte. Oder an dem zornigen
Knaben.
    Naenn hatte Rodraeg
durch Katakomben geführt, mit Abzweigungen und vieleckigen Sälen. In seiner
Aldavaer Zeit hatte er Gerüchte gehört von diesem Ganglabyrinth unter den
Straßen der Hauptstadt, aber er war nicht mehr Kind und auch nicht mehr
Abenteurer genug gewesen, einen Einstieg zu suchen und Nachforschungen zu
betreiben. Jetzt war er hier, und versuchte sich den Weg zu merken, den Naenn
ging, und versuchte dies vergebens.
    Jedenfalls waren sie in
einem Raum angekommen, mit einem Tisch voller blakender Kerzen, und um diesen
Tisch Stühle, und in dreien dieser Stühle Personen. Der betäubende,
gleichzeitig süße und würzige Geruch war hier am stärksten gewesen. Die drei
hatten sich erhoben und sie beide begrüßt.
    Eine alte Frau, das
klar geschnittene Gesicht von Hunderten von Runzeln durchzogen, doch sie ging
aufrecht und behende und strahlte Kraft aus. Ilde Hagelfels.
    Der Untergrundmensch.
Sein Vorname war Gerimmir, sein Nachname unaussprechlich für menschliche
Zungen. Fahle Haut, große, rötliche, im Dunkeln sehende Augen wie die eines
Nachttieres, Hände so groß wie Schaufeln, ansonsten kleingewachsen, aber
kräftig.
    Und der Knabe. Riban
Leribin. Etwa vierzehn Jahre alt. Kein hübsches, sondern eher ein hochmütiges
Gesicht mit greisenhaften Augen. Auch er wirkte bleich und farblos, einzig Ilde
Hagelfels hatte braungebrannte Landlebenhaut.
    Das war er. Der Kreis . Estéron der Schmetterlingsmensch fehlte.
    Von Anfang an war es
ungemütlich geworden. Riban hatte sich ihn angesehen wie einen Sklaven auf dem
Marktplatz von Diamandan, war um ihn herumgeschlichen in seinen raschelnden
Wohlstandsroben und hatte geschimpft. Daß er gehofft hatte, daß Naenn durch die
vielen Fehlschläge auf ihrer Namensliste begreifen würde, daß Menschen nicht
geeignet wären. Daß dieser hier – Rodraeg – offensichtlich verprügelt worden
war wie ein Hund. Wie kann so jemand ein Anführer sein?
    Rodraeg erinnerte sich
nicht daran, was als nächstes passiert war, aber jedenfalls hatte er weder
zornig das Weite gesucht noch sich den Knaben gegriffen und ihn übers Knie
gelegt.
    Naenn erzählte. Vom
leuchtenden Rathaus. Den Quellen. Reyren. Hinnis. Ryot, Tenkar und Barri. Auch
von ihrer Suche nach dem richtigen Kandidaten erzählte sie. Dem alten General.
Baladesar. Dem Bergführer. Der Königintreuen und dem Toten. Sie sprach mit
großer Festigkeit. Sie war sich sicher, daß Rodraeg der Richtige war. Warum? hatte
der Knabe gefragt. Was hat er denn schon geleistet? Was für herausragende
Fähigkeiten hat er, um dem Kontinent zu helfen? Ist er ein geborener Anführer?
Ein guter Ausbilder? Ein geübter Stratege? Naenn sagte immer wieder, sie sei
sich sicher, daß sie keinen Besseren finden konnten. Sie führte zu Rodraegs
Gunsten sogar an, daß Rodraeg von einem Mammut geträumt hatte, von einem
Mammutkind, bedroht von Jägern.
    Etwas Seltsames
geschah. Rodraeg fand es gut, daß der Knabe ihn in Frage stellte, denn der Knabe
hatte Recht. Es wäre geradezu unerträglich gewesen, in eine Gemeinschaft aus
Süßholzrasplern zu geraten, die ihn alle

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