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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Mich?«
    Â»Warum sollte er das
tun?«
    Â»Um sich zu rächen. Um
etwas zu Ende zu führen, was ihm verwehrt blieb. Was weiß ich. Alles ist
denkbar bei einem sterbenden Magier.«
    Â»Du mißtraust ihm!«
    Â»Möglich. Er wollte mir
einen Widerhaken bieten, und offensichtlich ist ihm das gelungen.«
    Â»Aber … aber wie
kannst du für den Kreis arbeiten, wenn du Riban Leribin mißtraust?«
    Â»Weil ich dir traue.
Und Ilde Hagelfels. Und Gerimmir. Und Eria. Und höchstwahrscheinlich auch dem
Schmetterlingsmann und diesem armen Jungen aus Warchaim. Ich werde mich einfach
an dich halten. Ich arbeite für dich. Wenn du sagst, daß Leribins Anordnungen
sinnvoll sind, werde ich sie ausführen.«
    Naenn sah verzweifelt
aus. »Aber … aber …«
    Â»Zerbrich dir nicht den
Kopf. Wenn deine Theorie über Leribins Beweggründe richtig ist, dann wollte er,
daß ich so über ihn denke. Dann läuft also weiterhin alles nach Plan.«
    Den Rest dieses
vierten, den gesamten fünften sowie den sechsten Tag ihrer Reise nach Warchaim
gingen sie zu Fuß, denn die Händler in ihrer Richtung hatten entweder keinen
Platz oder zu mürrische Gesichter. Das Wetter besserte sich zusehends, Himmel
und Sonne lächelten die meiste Zeit mildwarm herab, und die Anzahl der Vögel,
die durch die bauchigen Wolken tobten, schien mit jedem Tag zuzunehmen. Da es
in dieser Landschaft nur wenige Bäume und noch weniger windschützende
Gesteinsformationen gab, nutzten sie zum Übernachten die Ställe und
Werkzeugschuppen von Gehöften, die abseits der Straße lagen. Zweimal mußten sie
für das spinnwebverzierte Dach über ihren Köpfen bezahlen, aber einmal wurden
sie nicht nur kostenfrei Willkommen geheißen, sondern von der Bauernfamilie zum
Abendmahl eingeladen. Die Bauersfrau tischte riesige rohe Klöße mit
eingebackenem Brot auf, und Rodraeg mußte von seinen Jahren in Aldava erzählen,
als der Advokat Hjandegraan ihn und Baladesar durch die Straßen scheuchte auf
der Suche nach Zeugen einer Messerstecherei, der Besatzung eines
Schwarzbrennerkahns aus Schreer, den nächtlichen Aufenthaltsorten eines
untreuen Ehemannes und einmal sogar dem entlaufenen goldfarbenen Kater einer
blaublütigen Hofdame.
    Am siebten Tag seit
Aldava querten sie eine mit Schildern gekennzeichnete Furt durch den Larnus und
halfen einem Teppichhändler namens Eras Dier, seinen Wagen samt Zugpferd gegen
den vom Schmelzwasser angeschwollenen und unruhigen Fluß abzusichern und
wohlbehalten auf die andere Seite zu bringen. Als Gegenleistung wollte Eras
Dier sie bis nach Warchaim mitnehmen, und sie nahmen das Angebot, ihre
Wandersfüße ein paar Tage lang ruhen lassen zu können, dankend an.
    Am achten Tag – sie
fuhren geruhsam am Ufer des Larnus flußabwärts – begegneten sie einer Wagenburg
von nichtseßhaften Familien, die sich vor einigen Generationen zusammengetan
hatten, um ein Leben außerhalb der Städte, gelenkt von Wetter und Jahreszeiten,
zu führen. Die Leute lebten in hohen, zweistöckigen, von sechs bis acht Pferden
gezogenen Hauswagen, die bunt bemalt und mit allerlei Federzeug und Hornrat
verziert waren, und nannten sich selbst die ›Unsteten‹. Sie waren freundlich
und aufgeschlossen, trieben Handel mit allerlei selbst hergestelltem Handwerk
und schauten sich auch Diers Teppiche interessiert an, obwohl sie längst eine
eigene Tradition des Teppichknüpfens entwickelt hatten. Naenn tauschte Proviant
gegen andere Nahrungsmittel ein, fachsimpelte mit einigen Älteren über den
Frühlingswind und den Larnwald und ließ Rodraegs Gesicht von einer jungen
sommersprossigen Frau mit einer harzig riechenden Paste bestreichen. »Deine
Blutergüsse sind fast vollständig abgeheilt«, erläuterte Naenn, »den letzten
Rest erledigt dieser Baumblutbalsam innerhalb von vierundzwanzig Stunden.«
Rodraeg wehrte sich nicht, der Balsam roch angenehm, war gleichzeitig kühl und
warm auf der Haut, und die Finger der fremden Frau malten beim Einmassieren
Kreise und Muster auf sein Gesicht, die bis in seine Beine hinunter angenehm
kribbelten.
    Am neunten Tag tat
Rodraeg Dier den Gefallen und ließ sich von diesem endlich das Sortiment seiner
Teppichwaren vorführen. »Weil Ihr es seid, erfinde ich Sonderpreise«, sang Dier
in den schmeichelndsten Tönen, aber die Preise waren immer noch

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