Die dunkle Quelle
Rodraeg bedauerte
jetzt tatsächlich, Cajins traurige Lebensgeschichte zu kennen, denn der Junge
hatte hell strahlende grüne Augen und eines der einnehmendsten Gesichter, die
Rodraeg je gesehen hatte. Er wischte sich die von der Arbeit schmutzigen
Handflächen an der Hose ab und ergriff Naenns Rechte mit beiden Händen. »Naenn!
Endlich seid Ihr angekommen! Dann müÃt Ihr â¦Â«
»Ich bin Rodraeg
Delbane, aber einfach nur Rodraeg für dich. Naenn und ich haben uns darauf
geeinigt, daà wir alle einfach âºDuâ¹ zueinander sagen. Wir werden immerhin fast
so etwas wie eine Familie sein, hier in dieser schönen Stadt.«
»Rodraeg«, nickte
Cajin, und ergriff auch Rodraegs Rechte beidhändig. Cajin hatte keinerlei
Probleme damit, einem offen und entwaffnend direkt in die Augen zu sehen. »Ich
habe hier drauÃen noch ein wenig herumgezimmert, und die Tür ist auch neu, aber
jetzt zeige ich euch beiden wohl besser unser Haus. Ich warne euch allerdings
vor: Sauber ist jetzt zwar endlich alles, aber das einzige, was ich bislang
gebaut habe, sind Betten. Ansonsten sind die Zimmer völlig leer â ich weià ja
nicht, wie sie später aufgeteilt werden sollen.«
»Ich hatte noch nicht
mal mit Betten gerechnet«, lobte Rodraeg gutgelaunt. »Wie lange bist du schon
hier stationiert?«
»Seit dem Winter. Drei
Monde. Das Haus war am Anfang in ziemlich üblem Zustand. Ich muÃte das Dach
erstmal schnee- und regenfest machen, dann das Gerümpel ausräumen, das drinnen
herumstand, alles saubermachen, die Treppe nach oben ausbessern, zwei der drei
Fenster im Obergeschoà waren kaputt, da habe ich mich auch drum gekümmert.
Jetzt kann man eigentlich einziehen. Es herrscht kein Durchzug mehr, und die
Hausspinnen habe ich auch fast alle weggefangen und rausgetragen.«
»Mit anderen Worten:
Von den hundert Talern, von denen der Kreis mir erzählt hat, dürfte jetzt
nichts mehr übrig sein.«
»Oh, ich habe mich
nicht getraut, die hundert Taler anzufassen. Nein, die sind noch alle da.«
»Und wovon hast du dann
die Fenster bezahlt? Und Holz für die Betten und die Tür und das Dach?«
»Naja.« Cajin grinste
breit. »Deshalb habe ich drei Monde gebraucht. Ich habe halt Gegenleistungen
erbracht. Für die Fenster habe ich beim Rahmenmacher gearbeitet. Für die
Schindeln habe ich als Dachdecker in der Südstadt mitgeholfen. Holz kriegt man,
wenn man beim Holzhändler Aufträge sägt.«
»Unglaublich!« Rodraeg
war begeistert. Auch Naenn lächelte. »Das heiÃt, du kennst Warchaim
mittlerweile wie deine Westentasche.«
»Es reicht, um sich
nicht zu verlaufen.«
Cajin verstaute sein
Handwerkszeug in seinen Hosentaschen und schloà den beiden die Tür auf.
Dahinter lag ein schmaler Flur, an dessen Ende eine Treppe nach oben führte. Es
roch leicht nach feuchtem Leim und frischem Holz.
»Der Grundrià ist
quadratisch, sieben mal sieben Schritte«, übernahm Cajin die Rolle des
Gastgebers. »Hier links ist gleich die Küche mit einem Ofen, auf den man auch
Töpfe stellen kann. Wasser haben wir keins auf dem Grundstück, aber der nächste
Brunnen ist nicht weit, hinter dem Stahlert-Haus, etwa fünfzig Schritt von
hier. Wir könnten in der Küche ein Wasserfaà aufstellen. Den Raum nebenan habe
ich als mein Zimmer gewählt, so bin ich immer schnell an der Tür, falls etwas
ist.« Der Raum war winzig, zwei mal drei Schritte nur, und durch Cajins
Lagerstätte â kein richtiges Bett, sondern lediglich Strohmatten und Decken â
bereits zu einem Drittel gefüllt. »Hier rechts ist ein groÃer Raum, der gröÃte
im ganzen Haus, drei mal fünf Schritte. Dahinter noch mal ein kleinerer, der
nur durch den groÃen zu erreichen ist. Hier vorne geht die Treppe hoch, links
davon führen die Stufen in den Keller.« Sie gingen zuerst hinunter, und Cajin
zündete eine Ãllampe an, weil es im Keller kein Tageslicht gab. Die Stufen waren
nicht allzu steil und beschrieben auf einer Strecke von drei Schritten einen
rechten Winkel. Der muffig und lehmig riechende Kellerraum war immerhin etwas
gröÃer als der von Wirunius in Kuellen. »Drei mal vier Schritt, hier kann man
einiges unterbringen, Vorräte und so. Die Wände sind leider ziemlich feucht,
aber im Laufe der Zeit kann ich hier sicher eine Verkleidung anbringen, damit
uns die
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