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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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dafür die hundert Taler auf den
Kopf, die wir noch haben. Den Rest können wir erst dann so richtig planen, wenn
wir wissen, wieviel Geld der Kreis uns geschickt hat. Wir kaufen heute noch
Vorräte ein und holen Wasser, damit wir genug für drei Personen im Haus haben.
Ich würde nach der Reise gern ein Bad nehmen, Naenn vielleicht auch.«
    Â»Dann brauchen wir noch
einen Badezuber und Seife«, bemerkte Cajin.
    Â»Genau. Das besorgen
wir heute noch. Dann hilfst du mir dabei, den Stadtplan mit allen wichtigen
Örtlichkeiten zu beschriften, und dann ist es genug für heute. Feierabend.«
    Es dunkelte schon, als
erst Naenn und dann Rodraeg zu ihrem Badevergnügen kamen. Cajin besorgte
inzwischen genügend Kerzen und Schwefelhölzer, um das Haus des Mammuts innen zu
erhellen.
    Naenn verschwand als
erste auf ihrem neuen Zimmer, während Rodraeg und Cajin noch im großen
Erdgeschoßraum auf dem Boden herumkrochen, um im Licht von einem Dutzend Kerzen
den Stadtplan von Bürgermeister Tommsen mit fünfzig Zahlen und den fünfzig
dazugehörigen Bezeichnungen zu versehen. Das Haus des Mammuts war die ›50‹,
aber auch der Krämer Hallick und die Stoffhändlerfamilie Von Heyden wurden
verzeichnet, genau wie Großausrüster Bep Immergrün, die Stadtbäckerei am
Marktplatz, das Badehaus im Park, der Pferdehändler und -pfleger Mertih, die
Schmiede Teff Baitz und Ulric, ein Kleinbooteverleih, der Kleidungsladen
›Vierfaden‹, ein Kräuter- und Drogenhändler, zwei Ställe, das Volkstheater
›Lachende Maske‹, das Bordell ›Drachen und Höhlen‹, die Königliche
Postreiterstelle, das Gardehaus, die zehn Tempel, das Krankengebäude und das
dazugehörige Beinhaus, das Rathaus, das Schloß Figelius, die Ruine des Alten
Tempels, die Wohnstätte der sogenannten Dreimagier, das Hafen- und das
Marktkontor, das Büro eines sich selbst als ›Landspurenführer‹ bezeichnenden
Ermittlers, die sogenannte ›Hütte der Liebenden‹ auf einer kleinen, mit
Ruderbooten zu erreichenden Insel im Larnus, sowie die privaten Wohnhäuser von
Bürgermeister Tommsen und dem reichsten Nicht-Adeligen der Stadt, Yoich Barsen.
Außerdem die sechs einfachen Schenken Warchaims: Bei Bjerne ,
der Würfelbecher , der Ogerbär am Hafen, die Krustenküche , die eher unter dem
unappetitlicheren Namen Krustenkrug geläufig war, das Leer das! und der Hinkenherst .
Schließlich die drei großen Wirtshäuser, in denen es auch Fremdenzimmer gab. Eher
drittklassig die Alte Kutsche , mindestens
zweitklassig Der eherne Habicht und unzweifelhaft
erstklassig die Warchaimer Stuben .
    Zufrieden blickte
Rodraeg auf das miniaturisierte Warchaim hinab, das er heute im Großen
durchwandert hatte. Schon nach einem Tag hatte er dank Cajins und Tommsens
Hilfe das Gefühl, diese Stadt erfassen und begreifen zu können, wenn auch
vorerst nur oberflächlich. Wie viele ungelöste und womöglich auch unlösbare
Rätsel diese kunstvoll verschlungenen Straßen für ihn bereithielten, würde erst
der Lauf der Zeit enthüllen.
    Während Cajin zum
nächtlichen Hafengelände aufbrach, um einem übermüdeten Lagerhausverwalter
Bretter abzuschwatzen, ging Rodraeg mit einer brennenden Kerze bewaffnet zu
Bett. Vor Naenns Tür sagte er so leise, daß er selbst es kaum hören konnte:
»Schlaf gut.« Dann bezog er sein eigenes Kämmerchen. Den Anderthalbhänder holte
er aus der Tragetasche, stellte ihn in die Ecke und hängte seine Winterjacke
über den Schwertgriff. Den Seesack ließ er noch unausgepackt und legte sich mit
den Reisedecken auf das noch ungepolsterte Bettgestell.
    Er pustete die Kerze
aus. Dunkelheit umfing ihn.
    In den Nächten der
gemeinsamen Reise hatte er oft wachgelegen und Naenn beim Schlafen beobachtet.
Das war jetzt nicht mehr möglich. In ein paar Tagen würden neue, fremde
Menschen hier einziehen, Männer wahrscheinlich, rumpelig und laut, und dann
würde auch das Gefühl weg sein, mit Naenn im Obergeschoß allein zu sein.
    Er wälzte sich auf die
Seite.
    Wie wichtig oder
unwichtig waren solche Empfindungen angesichts seiner neuen Aufgabe als
Ausbilder und Anführer in einem neuen Haus, einer neuen Stadt, einem neu und
unwägbar erscheinenden Kontinent?

7

Feuer und Erde und Wasser und Luft
    Das Aufstehen gelang
Rodraeg überhaupt nicht. Ohne Fenster, ohne

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