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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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feierlich. »Außer in Aldava gibt es
nirgendwo sonst noch alle zehn Tempel vereint. In Warchaim blüht, was anderorts
schon längst verwelkte. Ich kann die Energieströmungen, die hier zwischen den
Gebäuden pulsieren, beinahe sehen.«
    Â»Die
Schmetterlingsmenschen haben dieselbe Religion wie wir?«
    Â»Natürlich. Weil es
eben nicht, wie einige zu meinen scheinen, eine Wahl gibt. Die Zehn sind die
Wahrheit, alles andere ist gelogen.«
    Â»Aber behauptet das
nicht jeder Glaubende von seinem Glauben? Das ist doch das, was den Glauben für
mich so unsympathisch macht – diese Besserwisserei des Unbelegbaren.«
    Â»Es gibt Belege,
Rodraeg. Sie sind überall um uns herum, nicht nur hier, an diesem heiligen Ort.
Jeder Ort ist heilig. Die meisten Menschen haben lediglich die Fähigkeit
verloren, die Beweise zu verstehen.«
    Â»Was ich nicht
verstehe«, mischte Cajin sich ein, »ist dieser alte Tempel, diese Ruine in der
Mitte der Stadt. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, liegt dort der
Ursprung Warchaims, von dort aus wucherte die Stadt ins umgebende Land hinaus.
Das würde aber bedeuten, daß es ursprünglich nur einen Tempel gab, und die zehn
hier am östlichen Stadtrand sind verhältnismäßig neu. Hat das etwas zu tun mit
›vor und nach der Vereinigung‹? Gab es vorher nur einen Gott und seitdem zehn?«
    Â»Die Zehn haben den
Kontinent erschaffen«, ließ Naenn sich nicht beirren. »Sie sind der Anfang.
Aber vielleicht erschienen sie den Menschen damals nur als einer, oder die
Menschen beteten alle zehn in einem einzigen Haus an. Ich weiß bei weitem nicht
alles über die Glaubensgeschichte des Menschengeschlechtes. Ich denke, wir sind
in Warchaim, um zu lernen, um die Antworten auf genau solche Fragen zu finden.
Bei all unserem Tun im Dienste des Kreises sollten wir nie aus den Augen
verlieren, die Rätsel und Fragen des Kontinents weiter zu erforschen. Ohne das
abhanden gekommene Wissen wiederzuerlangen, werden wir die Götter nicht
erreichen können.«
    Sie verließen den
Tempelbezirk durch das Südtor und gingen nach Westen zum Hafen. Eine massive
Steinbrücke führte über den Larnus Richtung Endailon, das Stadtufer lag hoch
genug, um den gestiegenen Schmelzwasserpegel abzufangen. Im Vergleich zu den
richtigen Seehäfen wie Skerb, Pelma oder Chlayst war der Hafen überschaubar.
Ein Dutzend Flußschiffer hatten hier angelegt, mit Rudern und Segeln
ausgerüstet für die mühselige Fahrt gegen die Strömung. Auf den meisten
Schiffdecks war man noch dabei, die Kratzspuren des Winters zu tilgen und
Bootskörper und Ausrüstung auf Hochglanz zu bringen.
    Als Cajin Rodraeg und
Naenn wieder nordwärts Richtung Innenstadt führte, kamen sie wieder an der
großen Tempelruine vorbei. Ein Liebespaar saß hier auf einem geborstenen
Mauerstück und hielt Händchen. Tauben hockten auf unvollständigen Säulen und
gurrten. Dieser Platz schien mehr ins Licht der Sonne gerückt zu sein als die
Häuser nahebei.
    Weiter nördlich gingen
sie diesmal direkt zur Schloßparkmauer und östlich daran entlang. Die Anlage,
beinahe so umfangreich wie der Tempelbezirk, konnte ihren früheren
Festungscharakter nicht verleugnen, an den vier Ecken gab es sogar überdachte
Wehrtürme, und das mit einem speerspitzenbewehrten Gitter verschlossene
Zufahrtstor im Osten wurde von zwei zylindrischen Wachstuben eingefaßt. Die
Wehrtürme an den Grundstückskanten waren zwar unbemannt und mit Efeu und Moosen
mäßigend bewachsen, aber aus den Wachstuben am Tor lugten die unfreundlichen
Gesichter von Baron Figelius’ dunkel gepanzerten Leibgardisten. Da half auch
Cajins munteres Zuwinken nichts.
    Als sie wieder beim
Haus des Mammuts ankamen, war der Tag schon weit fortgeschritten. Rodraeg
fühlte sich zu satt und schläfrig, um heute noch Berge versetzen zu wollen.
    Â»Der Kreis sagte, er
wolle uns so schnell wie möglich eine größere Geldsumme schicken«, überlegte
er. »Das ist jetzt zehn Tage her, aber eingetroffen ist noch nichts. Was meinst
du, Cajin? Können wir in den nächsten Tagen damit rechnen?«
    Â»Auf jeden Fall. Vor
drei Tagen kam eine Brieftaubenbotschaft in der Poststelle an, daß der Reiter
mit dem Geld unterwegs ist. Morgen oder übermorgen, würde ich schätzen.«
    Â»Dann besorgen wir, bis
das Geld kommt, nur das Nötigste und hauen

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