Die dunkle Quelle
Beispiel.«
»Naenn? Was ist mit
ihr?«
»Sie ist zu schön. Das
wird Ãrger geben. Alle Männer werden sich ihretwegen an die Kehle gehen.«
Darüber hatte Rodraeg
auch schon nachgedacht. Naenn war tatsächlich eine unglaubliche Irritation.
Auch in seinem BewuÃtsein strahlte sie manchmal heller als das Licht des Tages.
Gestern am FluÃufer hatte er versucht, ihr beim Kämpfen zu imponieren. Bestar
und Migal versuchten das andauernd, beim Essen, beim sich Hinsetzen, beim
morgendlichen Waschen, beim Reden, beim Gehen, beim Stehen, die ganze Zeit.
»Sie wird nicht
mitkommen«, sagte Rodraeg. Die Deutlichkeit dieses Gedankens überraschte ihn.
»Dann dieser Knabe. Ich
habe Knaben wie ihn gesehen, in Endailon. Es ist furchtbar, wenn so viel
Vertrauen und so viel Zukunft verheizt wird.«
»Cajin kommt auch nicht
mit. Er ist unser Hausverwalter.«
»Aha. Dann also nur du,
ich und die beiden Affenmenschen?«
»So siehtâs wohl aus.«
»Einhundert Taler.« Der
Bogenschütze blickte auf und Rodraeg ins Gesicht. »Für einhundert Taler mache
ich mit.«
»Oh, Junge.« Rodraeg
schüttelte den Kopf. »Warum seid ihr nur alle so verflucht geldgierig? Du
kannst ⦠dreiÃig Taler bekommen zuzüglich Ausrüstung und Verpflegung,
genau wie die anderen auch, und kein einziges Kupferstück mehr. Wenn dir das
nicht genug ist, um zur Abwechslung mal für anständige Leute zu arbeiten
anstatt für die kriegstreiberische Armee ihrer Majestät, kannst du deinen Bogen
nehmen und verschwinden, und zwar sofort.«
»DreiÃig Taler sind
doch immerhin ein Angebot. Wir sind uns einig.« Der Schütze erhob sich, nahm
seinen Bogen und das Essen auf und kam zur Tür. »Ich komme mit runter, dann
kannst du den Brief verlesen.«
»Einen Augenblick noch.
Sieh mir in die Augen, Borgondi. Ich will keine Komplikationen während des
Auftrags. Auch wenn du der Erfahrenste von allen bist, auch wenn du besser
schieÃen kannst als jeder von uns kämpfen, auch wenn du dem Tod schon häufiger
ins Angesicht geblickt hast als wir â ich bin trotzdem derjenige, der das Sagen
hat. Ich will mich nicht andauernd rangeln müssen. Und ich will, daà du mir
dein Wort gibst, daà du die Sache mit uns zusammen durchziehst und dich nicht
bei der kleinsten Unannehmlichkeit verdrückst.«
»Du meinst: einmal ein
Deserteur, immer ein Deserteur?«
»Nein, ich meine, daÃ
du von allen in diesem Haus derjenige bist, den ich am wenigsten kenne, und daÃ
ich dir nur trauen werde, wenn du mir in die Augen siehst und mir dein Wort
gibst.«
Borgondi hielt Rodraegs
Blick stand. Lag es an den weiÃen Haaren, oder hatten die Augen des
Bogenschützen tatsächlich einen silbrigen Glanz? »Kein Problem, Rodraeg. Ich
schwöre bei meinem Bogen, bei seiner Sehne und bei meiner Hand, die sie spannt,
daà ich euch nicht im Stich lassen werde, bis dieser Auftrag erfüllt ist â oder
ein Mond verstrichen ist, von heute an.«
Ein paar Momente lang
maÃen sich die beiden mit Blicken. Dann nickte Rodraeg kaum merklich. »Das
genügt mir. Also komm mit.« Sie gingen die Treppe hinab. »Tut mir leid, daà ich
euch so auf die Folter spannen muÃte. Darf ich jetzt noch einmal förmlich vorstellen:
Hellas Borgondi, unser neuer Mitstreiter.«
Es gab ein groÃes
Hallo. Naenn sagte: »Also doch.« Cajin sagte: »GroÃartig. Ich freue mich sehr!«
Bestar sagte: »Das war doch klar.« Migal sagte: »Dann kannâs ja endlich
losgehen.«
Rodraeg nahm an der
Stirnseite des Tisches Platz, wo das Fensterlicht ihm über die Schultern fiel.
Die anderen rückten mit den Stühlen und wandten sich ihm zu. Wie ein
Jahrmarktszauberer zeigte er den Umschlag von beiden Seiten, zog den Brief
heraus, entfaltete ihn, strich ihn auf der Tischplatte glatt und begann laut zu
lesen.
Â
An
das Haus Warchaim
Rodraeg
T. Delbane
Â
Ein
gutes Leben allen Teilen des Kontinents!
Wir
grüÃen die neu gegründete Einsatzgruppe und hoffen, Ihr habt Euch in Warchaim
gut eingerichtet. Unserer ersten Geldsendung von 350 Talern folgt in den
nächsten Tagen eine weitere Sendung über 500 Taler, die alle anfallenden Kosten
abdecken sollte.
Weiter kam Rodraeg
erstmal nicht, denn es brandete Jubel auf. Die Klippenwälder und Cajin riefen »Hurra!«
und »Hoch!« und klirrten mit Krügen
Weitere Kostenlose Bücher