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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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unter ihrer Würde, Nadel und Faden
in die Hand zu nehmen, doch Rodraeg und Hellas gingen Luriz dabei zur Hand, die
lädierte Plane mit großzügigen Flicken auszubessern. Als Gegenleistung werkelte
Luriz während der ersten Nachtwachschicht in seinem Wagen herum und
präsentierte am nächsten Morgen stolz ein winziges, verkorktes Tonfläschchen.
    Â»Eigentlich ist das nur
normales Regenwasser, aber versetzt mit einer ganz speziellen Kräutermischung,
die gut für die Lebensgeister ist. So, wie ich euch bislang kennengelernt habe,
gehe ich davon aus, daß ihr auf Pfaden wandelt, auf denen ihr noch öfter in
Gefechte verwickelt werdet. Vielleicht kann diese Mischung einem von euch das
Leben retten, wenn er sehr schwer verwundet wurde.«
    Rodraeg erinnerte dies
wohltuend an Naenn und die Wundpackungen, mit dem sie sein von der Schlägerei
mit dem Säbeldieb lädiertes Gesicht behandelt hatte. Er bedankte sich bei Luriz
im Namen der Gruppe und steckte das Fläschchen in seinen Rucksack.
    Sie fuhren und
wanderten weiter. Es nieselte nur noch an diesem sechsten Tag ihrer Reise nach
Terrek. Auch der Himmel konnte nicht unendlich Wasser führen.
    Gegen Mittag trennten
sich die Wege von Luriz und dem Mammut. Luriz wollte nach Südwesten in die
Dörfer, die in Richtung Endailon lagen. Das Aufwiedersehen war herzlich, und
auch die beiden Esel wurden zum Abschied ausgiebig getätschelt und
gestreichelt.
    Dann waren die
Mammutwanderer wieder alleine unterwegs, und dieser Tag blieb ereignislos.
    Der nächste Tag ihrer
Reise war der 15. Tag des Regenmondes, und überall auf dem Kontinent feierte
man das Arispfest – dem Frühling, der Aussaat, den Kindern und der Jugend
gewidmet. Wieder waren es Bestar und Migal, die Rodraeg den ganzen Morgen über
in den Ohren lagen. »Es bringt Unglück, wenn man einen Feiertag der Götter
ausläßt.« »Bei uns zu Hause sind Arispfest und Lunfest die tollsten Tage des
Jahres.« »Überall tanzen sie jetzt und haben Spaß – nur wir nicht.« »Cajin und
Naenn lassen sich sowas bestimmt nicht entgehen.«
    Naenn. Gewiß beging
Naenn die vier den Jahreszeiten zugeordneten göttlichen Feiertage und die vier
zusammenhängenden Sternentage, die dieses Jahr zwischen Sonnenmond und
Feuermond liegen würden, mit allen Ehren. Sicherlich würde sie nicht tanzen und
lachen, aber sie würde ernst und konzentriert im Arisp-Tempel zu Warchaim ein
Licht entzünden, vielleicht als Opfergabe Kräuter verbrennen und dem Untergott
Tinsalts und aller Kinder des Kontinents gedenken. Rodraeg dagegen hatte in
Kuellen jahrelang die Aufgabe gehabt, die der Stadt entstehenden Kosten für die
Feiertage aufzulisten, zu überprüfen und möglichst gering zu halten. Diese
Feste waren gesetzlich vorgeschrieben, aber wo der Götterglauben keine große
Rolle mehr spielte, galten sie den Stadtherren eher als lästige Pflicht.
    Was jetzt bei Rodraegs
Entscheidung den Ausschlag gab, war die Tatsache, daß die Mammutgruppe durch
Naenn und den Kreis mit den Göttern in Kontakt treten wollte, und daß es
sicherlich nicht schaden konnte, auf dem langen und beschwerlichen Weg bis
dahin die paar wenigen sich bietenden Gelegenheiten zu ergreifen, die
Traditionen der Götter einzuhalten. Er stimmte also einem Umweg zu, und so
folgten sie einem Wegweiser in ein von moosüberwachsenen Felsen zerklüftetes
Gebiet, in dem eine Ortschaft namens Kirna lag.
    Kirna, eine
Zusammenrottung von nicht mehr als vierzig Häusern, war für diesen Tag
blumengeschmückt und girlandenbekränzt wie eine Somnicker Braut, und auf einem
großen Festplatz in der Mitte des Dorfes tobten Spielleute und Tanzende bunt
durcheinander. Rodraeg wollte seinen Gefährten noch einbleuen, daß sie ja keine
Schulden machen sollten, die er dann wieder begleichen müsse, aber mit
schrillen Schreien wie übergroße Raubvögel hatten Bestar und Migal sich schon
ins Getümmel gestürzt, und für den Rest des Tages war kein Halten mehr.
    Hellas hielt sich
abseits und bedachte das Volksfest mit Kopfschütteln. Rodraeg ließ sich von
üppigen Bauersfrauen immerhin zu einigen Runden Kreis- und Wirbeltanzen
überreden, bis ihm ganz schwindelig war und er an einem gefüllten Krug Honigmet
Halt suchen mußte. In der Abenddämmerung zog sich Hellas zum Schlafen in eine
Scheune zurück, von Migal war weit und breit

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