Die dunkle Schwester
erneut aufschreckte, lächelte Edric ihr zu.
Beruhigt legte sie sich wieder hin und war bald tief und fest eingeschlafen.
XI
E s war am späten Nachmittag, drei Tagesritte von Crystalhenge entfernt. Die vier Reisenden lagen bäuchlings am Rand einer hohen Felsenklippe, die über einer weiten Meeresbucht aufragte. Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte das Wasser in ein weiches dunstiges Licht. Salzgeruch hing in der Luft. Die Klippe war ein Ausläufer der braunen Halbmondberge, die hinter ihnen aufragten. Cordelia war zu Fuß vorausgegangen, um die Gegend zu erkunden. Sie war rasch wieder zurückgekommen, hatte den Pferden zu warten befohlen und dann Tania und die anderen an diesen luftigen Ort geführt. »Seht euch vor«, hatte sie noch gewarnt, »das Böse geht um in der Kymry-Bucht.«
In den letzten zwei Tagen waren sie durch eine Landschaft mit schroffen steinigen Hängen und hohen bewaldeten Bergen geritten, von denen nackte braune Felszacken aufragten. Sie hatten tosende Wildbäche überquert und waren durch dichte Wälder mit finsteren Zypressen und uralten Tannen geritten. Immer wieder mussten sie absteigen und ihre Pferde steile Geröllhalden hinaufführen, wo Hufe und Füße ständig abrutschten. Dann wieder waren sie auf unpassierbare Abgründe oder Felsklippen gestoßen, sodass sie kehrtmachen und einen anderen Weg suchen mussten. Aber die ganze Zeit über führte Cordelia die Gefährten nach Westen in Richtung Caer Kymry, der meerumspülten Festung von Talebolion, wo Hopie mit Lord Brython lebte.
Als sie endlich die Küste dieses bergigen Landstrichs erreichten, fanden sie Caer Kymry im Belagerungszustand.
Die Kymry-Bucht war ein halbmondförmiger weißer Strand mit elfenbeinfarbenen, meerumspülten Felsklippen. Auf einem hohen Überhang in der Mitte der Bucht stand ein weißes Schloss, das durch einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden war und perlmuttfarben schimmerte. Ein solches Bauwerk hatte Tania noch nie gesehen; es sah aus, als sei es von den Wellen selbst erschaffen worden. Es hatte hohe, nach außen gewölbte, geriffelte Mauern und runde Zinnen, von denen kleine Schneckentürmchen und dünne Spiralen aufragten wie die Zacken und Stacheln von Meeresmuscheln.
Tanias Herz klopfte, als sie auf die Bucht hinunterblickte. Ein Stück weit vom Schloss entfernt lagen zwei Schiffe auf dem Strand. Es waren Holzschiffe, lang und niedrig und breit in der Mitte, mit einem einzigen Mast, an dem ein großes quadratisches rotes Segel hing. Beide Schiffe hatten einen kunstvoll gearbeiteten Bug, der in einem Schlangenkopf mit gegabelter schwarzer Zunge auslief.
Eine Schar Grauer Ritter war auf dem Damm versammelt, der zu dem Torweg der Burg führte. Tania kniff die Augen zusammen, und plötzlich sah sie ein grelles gelbes Licht aufflammen; ein Karren oder Wagen war in Brand gesteckt worden. Als die Ritter ihn über den Damm zum Torweg schoben, hagelte es Speere, Steine und Pfeile von den Burgmauern herab. Viele der Grauen Ritter wurden getroffen und lösten sich in Staub auf; andere erwiderten das Feuer und schossen Pfeile auf die Burgmauern. Trotz aller Gegenwehr näherte sich der brennende Karren unaufhaltsam den Burgtoren.
»Sie wollen das Tor niederbrennen«, stöhnte Cordelia. »Die Festung wird fallen.«
»Nein, sieh doch!«, rief Edric. »Jetzt kommen sie heraus!«
Im letzten Moment, ehe der brennende Wagen gegen die Torflügel prallen konnte, wurden diese von innen aufgestoßen. Ein Reitertrupp sprengte auf den Damm herunter und teilte sich, um den Flammen auszuweichen. Todesmutig warfen sich die Burgwachen dem Feind entgegen, mit Schwertern und Speeren bewaffnet, die hell in der Sonne blitzten. Selbst aus dieser Entfernung konnte Tania erkennen, dass die Rüstungen der Elfenritter genauso bizarr waren wie die Burg, aus der sie hervorströmten. Brustharnische und Schilde sahen aus wie Krabbenpanzer, und die Helme wie Schneckenhäuser oder Muschelhörner.
Zuerst warfen die Elfenritter die Angreifer mühelos zurück, aber immer mehr Graue Ritter drängten nach und bremsten abrupt den mutigen Ausfall der Burgwache, sodass ein fürchterlicher Tumult entstand.
»Wir müssen ihnen zu Hilfe eilen!«, knurrte Cordelia und sprang auf die Füße. Sie stellte sich an den Rand der Klippe, wandte den Blick vom Schlachtgetümmel ab und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Kurz darauf galoppierten vier Rosse hastig den Hang herauf. Mit gezogenem Schwert und wildem Kampfgebrüll sprang
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