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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Reitz
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Ärztin. Sie schlug auf die Armlehne
ihres Stuhls. „Er hat etwas herausgefunden, dass ihn total
empört hat.“ Sie rang nach den richtigen Worten. „Nein,
nicht empört, Mike war entsetzt. Genau das waren seine Worte
gewesen. Ich bin
vollkommen entsetzt, Franziska ,
hat er am Telefon gesagt, das
musst du dir unbedingt ansehen .
Und jetzt hat irgendetwas oder irgendjemand ihn daran gehindert, sich
mit mir zu treffen.“
    Wellinger betrachtete die
aufgebrachte Frau nachsichtig. Seine Erfahrung lehrte ihn jedoch,
nicht voreilig zu handeln. „Vielleicht hat er die Verabredung
vergessen?“, schlug er vor.
    „ Niemals! Es muss etwas
passiert sein.“
    Unerwartet nistete sich nun doch
ein dumpfer Kloß in Wellingers Bauch ein. Er versuchte das
Gefühl von sich zu schieben. Gleich würde er Feierabend
haben. Zu seinem Lieblingssessel gesellte sich ein Glas Rotwein.
„Vielleicht waren Sie am falschen Treffpunkt?“,
unterbreitete er einen weiteren Vorschlag.
    „ Nein! Wir treffen uns
stets in einem kleinen italienischen Restaurant in der Stadt. Aber
Mike kam nicht und auch keiner der Kellner hat ihn gesehen. An sein
Handy geht er ebenfalls nicht ran. Am ersten Tag sprang immerhin noch
seine Mailbox an, aber seit zwei Tagen ist das Telefon komplett
abgestellt.“
    Ein Journalist, der sein Handy
ausschaltete, war auch in Wellingers Welt eine merkwürdige
Angelegenheit. „Und sein Büro? Haben Sie dort schon
nachgefragt?“
    „ Nein, Mike arbeitet
freiberuflich. Er gehört weder einem Verlag noch einer Redaktion
an.“ Sie kramte in ihrer Tasche und zog ein Foto hervor,
welches sie ihm über den Schreibtisch reichte. Behutsam nahm
Wellinger es entgegen und warf einen Blick darauf. Das Bild zeigte
die Ärztin in Begleitung eines Mannes, der lässig einen Arm
um ihre Schulter gelegt hatte. Überrascht betrachtete der
Kommissar das grobe, männliche Gesicht, das von längeren,
hellblonden Haaren umrahmt war. „Sagten Sie nicht, Ihr Bruder
und Sie sind Zwillinge?“
    „ Ja, schon.“
Franziska schnitt eine Grimasse. „Aber wir sind zweieiige
Zwillinge, wie du dir denken kannst. Tatsächlich ist mein Bruder
sogar einen Tag jünger als ich.
    „ Wie denn das?“,
staunte der Kommissar.
    „ Ganz einfach“, gab
sie die Erklärung, die sie wohl schon millionenfach gegeben
haben musste. „Ich wurde zwei Minuten vor Mitternacht geboren.
Mein Bruder kam fünf Minuten später auf die Welt.“
    Wellinger warf einen weiteren
Blick auf das Foto. Nicht nur das Geburtsdatum machte einen
gewaltigen Unterschied aus. Im Gegensatz zu seiner Schwester, war
Mike ausgesprochen hässlich. Lediglich der Mund, der feine
Schwung seiner vollen Lippen, verriet die Verwandtschaft mit der
schönen Ärztin.
    „ Gut, wenn Sie möchten,
gebe ich das Foto an die Kollegen weiter.“
    “ Wirst du mich anrufen?“
    „ Natürlich“,
antwortete er unerwartet sanft.
    Sie schob ihm eine Visitenkarte
über den Tisch und erhob sich. „Damit bist du nicht zu
einem Arzt gegangen, habe ich recht?“
    Ihre Frage kam für Wellinger
ohne Vorwarnung. Sofort schnellte seine Hand nach oben und tastete
nach der vertrauten Erhebung in seinem Gesicht. Es war eine zur
Gewohnheit gewordene Geste, die er stets anwendete, wenn er auf die
Auffälligkeit angesprochen wurde. Vom linken Winkel der
Unterlippe bis hinunter über das Kinn zog sich eine breite,
wulstige Narbe, die die Symmetrie des ansonsten freundlichen
Gesichtes verzerrte. Dabei stach das aufdringliche Rot jedem
Betrachter förmlich ins Auge und unweigerlich glitten die Blicke
der Menschen zu dem auffälligen Wundmal. Einmal hatte Wellinger
versucht, die Narbe zu verdecken, indem er sich einen Bart stehen
ließ. Das Ergebnis war niederschmetternd gewesen, denn während
der Rest seines Gesichtes fast umgehend zuwucherte, war die hässliche
Stelle kahl geblieben. Das Resultat hatte der Luftaufnahme eines
südamerikanischen Regenwaldes geglichen, in den skrupellose
Geschäftsmänner eine Schneise geschlagen hatten, um das
kostbare Holz zu rauben. Wütend hatte er sich den Bart wieder
vom Gesicht gekratzt.
    Sein Blick verfinsterte sich, als
er an den demütigenden Tag zurück dachte, an dem ihm die
Wunde zugefügt worden war, doch er zwang sich, die Hand wieder
auf den Schreibtisch zurückzulegen. Immer noch schaute die
Ärztin ihn unverwandt an, doch Wellinger dachte gar nicht daran,
ihr eine Antwort zu geben. Die Narbe war seine Angelegenheit und ging
sie verdammt nochmal nichts an. Die Verletzung war der

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