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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Petersburg auswies, unter die Lupe nahm, würde das Fluri den Kopf kosten.
    Er hatte daher auf den Abstecher nach Petersburg verzichtet und dafür zwei Tage Kirov angehängt. Er kannte dort ein Revier, wo die Bejagung des europäischen Braunbären in der Winterhöhle noch möglich war. Dafür war es diesmal zwar zu spät im Jahr. Aber das Revier war auch berühmt für seinen reichen Wolfsbestand und dafür, daß dort noch die Lappjagd betrieben wurde.
    Die Lappjagd war eine Treibjagd mit an Schnüren aufgehängten Lappen. An einer Stelle ließ man eine Lücke frei als einzigen Ausweg für das Tier. Der Jäger stellte sich davor und wartete mit der Büchse im Anschlag. Das war zwar keine sehr sportliche Jagdmethode, aber Ott fand die Unausweichlichkeit der Situation erregend.
    Er hatte Glück. Der Schädel des Wolfs, der ihm vor die Büchse lief, brachte 46,80 CIC -Punkte, der Balg 182,45. Wenn er dem Revierleiter glauben konnte, war das die stärkste Trophäe, die in diesem Revier je gemessen worden war.
    Gleich nach seiner Rückkehr hatte er Nauer informiert. Sie hatten sich darauf geeinigt, von einem unabhängigen Buchprüfer eine Bewertung der Liegenschaften machen zu lassen. Sie entschieden sich für ROBERTSON & PICKWICK CONSULTANTS , ein traditionsreiches internationales Haus mit Niederlassungen in Moskau und St. Petersburg.
    Jetzt saßen sie über dem Dossier, das den Bericht enthielt. Er war verheerend. Der tatsächliche Marktwert der Immobilien mußte herunterkorrigiert werden. Auf nicht einmal zehn Prozent des Betrags, den die ELEGANTSA in ihrer Fusionsbilanz führte.
    Der ›Rußlandfeldzug‹ hatte statt der zwei bis zweieinhalb Millionen, die Fluri angegeben hatte, fast neunundzwanzig gekostet.
    Nauer war immer bleicher und stiller geworden. Eine Erblast in dieser Größenordnung konnte CHARADE schlecht verkraften. »Was schätzen Sie, ist Fluri wert?« fragte er, als Ott das Dossier auf das Rauchtischchen legte.
    »Laut seinem Steuerauszug knapp vier Millionen.«
    »Und woher nehmen wir den Rest?«
    Ott schüttelte lächelnd den Kopf. » Sie. Mich brauchen Sie nicht anzuschauen.«
    Nauer hob die Schultern. »Dann bleibt nur UNIVERSAL TEXTILE .«
    »Soweit sind wir noch nicht«, beschwichtigte Ott. Er nahm einen Schluck Mineralwasser. »Aber vielleicht könnte es nicht schaden, die Fühler etwas auszustrecken.«
    Nauer nickte versonnen.
    »Wenn Sie wollen, kann ich das für Sie übernehmen«, schlug Ott vor.
    Nauer war dankbar für das Angebot.
    Ott begleitete ihn persönlich zum Wagen. Als Nauer aus der Einfahrt fuhr, kam ihm ein Lieferwagen entgegen. Der Präparator brachte den Luchs aus Estland.
    Heute war ein guter Tag.
    »Soll ich das als Gratiskonsultation verstehen?« fragte Alfred Wenger.
    »Ich bezahle das Essen«, antwortete Blank.
    »Das bezahlst du sowieso, bei einer halben Stunde Verspätung.«
    Es war Mittwoch. Der Jour fixe mit Wenger hatte wie immer mit dem Flohmarkt kollidiert. Blank war früher aus dem Büro gegangen und hatte Lucille ein Falafel vom libanesischen Takeaway gebracht. Aber sie hatte sich nicht so leicht abspeisen lassen. Sie war verzweifelt wegen Troll und nahm es ihm übel, daß er keine Zeit für sie hatte. Das Gespräch mit Pat am Küchentisch hatte bis in die frühen Morgenstunden gedauert. Es war nicht ohne Wirkung geblieben.
    Als er endlich im Goldenen ankam, hatte Alfred Wenger schon bestellt und aß einen Frühlingssalat, der, wie immer im Goldenen, mit etwas zuviel Öl angemacht war.
    Blank hatte sich für die Verspätung entschuldigt und ihn um seine Meinung als Fachmann gebeten.
    Herr Foppa nahm Blanks Bestellung auf. Als sie wieder unter sich waren, erzählte er von seinem Pilztrip. Wenger aß stumm seine gewaltige Portion gemischten Braten. Als Blank geendet hatte, sagte er: »Klingt wie ein Psilocybin-Trip der intensiveren Sorte. Hast du Nachwirkungen?«
    »Ja.«
    »Stimmungsschwankungen? Euphorien? Depressionen?«
    »Auch. Aber das ist nicht das Problem.«
    »Was ist das Problem?«
    Blank stocherte in seinem Teller. Er hatte ein Bärlauchrisotto bestellt, dessen Geruch ihn an die Stelle im Stadtwald erinnerte, wo er den toten Troll aus der Mappe gekippt hatte. »Ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
    »Wie äußert sich das?«
    »Ich folge jedem Impuls. Es gibt keine Hemmschwelle.« Blank erzählte von seinen Ausbrüchen Gerber gegenüber. »Dabei finde ich ihn gut. Ich habe nichts gegen ihn. Er ist, wie ich vor ein paar Jahren war.«
    Die Art, wie

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