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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Anstrengung.
    Hatte er den Jungen überfahren? Mit Absicht? Oder es in Kauf genommen? Hatte er einen Verletzten im Stich gelassen? Oder einen Menschen umgebracht?
    Urs stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Er wußte, daß er etwas tun mußte. Aber etwas in ihm flüsterte: »Vergiß es. Leg dich schlafen.«
    Um drei Uhr ließ er sich den Wagen aus der Hotelgarage holen.
    Er fuhr durch die menschenleere Stadt und hinauf zum Stadtwald. Je näher er zum Parkplatz beim Fitneßparcours kam, desto langsamer fuhr er. Bei der Abzweigung in den Wald hielt er und schaltete Motor und Scheinwerfer aus. Er öffnete das Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen. Bei jedem Windstoß prasselte es von den dunklen Buchen.
    Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er den Holzstoß erkennen, der bei der Einfahrt zum Parkplatz stand. Er ließ etwas Zeit verstreichen. Dann startete er den Motor und fuhr ohne Licht zum Parkplatz.
    Er war leer. Blank spürte Erleichterung. Vielleicht, dachte er, werden meine Gefühle langsam wieder normal.
    Er schaltete die Scheinwerfer an.
    Dann sah er die Zeichnung auf dem Asphalt. Die Umrisse einer gekrümmten Gestalt.
    Vor einer halben Stunde hatte es über den Hügeln zu dämmern begonnen. Die gewundene Landstraße glänzte naß. Ab und zu kam Blank ein Traktor oder ein alter Landrover entgegen.
    Er fand die Abzweigung auf Anhieb. Er fuhr durch den Wald zur Lichtung hinauf. Der kleine Bauernhof lag still da. Als er darauf zufuhr, begann die Sennenhündin zu bellen.
    »Ruhig, Brahma«, sagte Blank, als er ausstieg. Sofort war das Tier ruhig und beschnüffelte ihn schwanzwedelnd.
    Er mußte lange klopfen und rufen, bis im ersten Stock ein Fenster aufging und Joe den zerzausten Kopf herausstreckte. »Du spinnst, es ist sechs.«
    »Es ist wichtig«, rief Blank hinauf.
    Kurz darauf saß er in der ungelüfteten Küche. Joe hatte im kleinen Holzherd Feuer gemacht und einen Aluminiumkrug kalten Kaffee darauf gestellt. Jetzt saß er Blank am Küchentisch gegenüber. »Was ist wichtig?« fragte er gereizt.
    »Beim ersten Mal war etwas dabei, was beim zweiten Mal fehlte.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Der Trip war ganz anders.«
    »Jeder Trip ist anders.«
    »Nicht so anders, sagen meine Ärzte.«
    Joe sah überrascht aus. »Deine Ärzte ?«
    »Ich bin in Behandlung. Ich bin krank. Und wenn ich nicht gesund werde, zeige ich dich an.«
    »Auf dein eigenes Risiko. So lautete die Abmachung.«
    »Nicht, wenn du das Zeug panschst.«
    Joe wurde laut. »Wir panschen nicht!«
    »Meine Ärzte sagen, es müsse etwas Synthetisches dabeigewesen sein.«
    »Deine Ärzte verstehen einen Scheißdreck von Pilzen.«
    »Meine Symptome geben ihnen recht.«
    Joe stand auf und suchte etwas. »Rauchst du?« fragte er.
    Als Blank verneinte, wählte er aus einem vollen Aschenbecher den größten Stummel und steckte ihn an.
    »Was für Symptome?«
    Blank stand auf und versetzte ihm eine Ohrfeige. Der Stummel flog durch die Küche. »Solche«, antwortete er.
    Joe sah ihn erschrocken an. Er faßte sich an die Backe. »Verrückt geworden?«
    »Genau.«
    Auf dem Herd zischte es. Der Kaffee kochte über. Blank stand auf, fand einen Topflappen und nahm den Krug vom Herd. Er trug ihn zum Tisch und schüttete kochenden Kaffee über Joes Arm.
    Joe schrie, sprang auf, rannte zum Ausguß voll schmutzigem Geschirr, drehte den Wasserhahn auf und kühlte seinen Arm.
    »Was war noch dabei?« fragte Blank.
    Joe gab keine Antwort. Blank trat hinter ihn und hielt den Krug an seinen Rücken. Joe schrie auf.
    »Setz dich!« befahl Blank.
    Joe gehorchte. Blank baute sich mit dem Krug vor ihm auf. »Was war noch dabei außer Pilzen?«
    »Nur Pilze. Ich schwör’s.«
    Blank hielt den Krug über ihn. »Verschiedene Größen!« schrie Joe.
    Blank stellte den Krug auf den Herd und warf zwei Scheite nach.
    »Spitzkegelige Kahlköpfe in verschiedenen Größen.«
    »Zeig sie mir.«
    Joe stand auf. Blank folgte ihm mit dem Krug. Eine steile Treppe führte hinauf zum Schlafzimmer, direkt unter dem Dach. Es roch nach Schweiß und schmutziger Wäsche. Eine Matratze mit zerwühltem Bettzeug lag am Boden. »Wo ist Shiva?« fragte Blank.
    »Indien.« Joe wühlte in einem offenen Schrank und brachte eine Blechschachtel zum Vorschein. Sie gingen zurück in die Küche. Blank stellte den Krug zurück auf den Herd und befahl Joe, sich zu setzen.
    In der Schachtel waren zwei Plastikbeutel. Joe leerte ihren Inhalt auf den Küchentisch. Das eine

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