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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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fiel ihm auf, daß ihre Bewegungen nicht mehr resigniert waren wie bei seinem letzten Besuch. Und auch ihre Augen sahen nicht mehr aus, als seien dahinter die Lichter ausgegangen.
    »Er ist hier, stimmt’s?«
    »Ich mußte ihm versprechen, ihn nicht zu verraten.«
    Während sie ihren Wein tranken, erzählte Evelyne, was passiert war. Gestern abend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, hatte es geklingelt. Als sie öffnete, stand Urs vor der Tür. Sein Anzug war schmutzig, und seine Schuhe waren lehmverschmiert. Sie hatte ihn hereingelassen. Sie hatten etwas gegessen. In der Küche, wie in alten Zeiten.
    Urs hatte nicht viel gesagt. Nur, daß er sich in einer Krise befinde. An einem Punkt, an dem er nicht mehr weiterwisse. Er müsse sich ein paar Tage zurückziehen und mit sich ins reine kommen.
    »Seither hat er sein Zimmer nicht mehr verlassen. Ich habe ihm das Frühstück neben das Bett gestellt. Als ich ihm etwas zum Mittagessen bringen wollte, schlief er immer noch. Das Frühstück hatte er nicht angerührt. Was ist los mit ihm, Alfred?«
    »Er hat eine Depression.«
    »Urs und eine Depression. Weshalb?«
    »Wenn man das immer gleich wüßte.«
    »Liebeskummer?«
    »Nein. Ich fürchte, es ist etwas komplizierter.«
    »Ich verstehe. Du darfst mir nichts sagen.«
    Wenger stimmte dem zu.
    »Aber wenn ich etwas sagen darf: So, wie er gestern war, ist er mir jedenfalls lieber. Die Wochen zuvor strahlte er eine Kälte aus, die mir angst machte.«
    Wenger nickte.
    »Ist dir das auch aufgefallen?«
    Die Tür ging auf. Blank kam im Morgenrock herein. Sein Haar war zerzaust, sein Gesicht unrasiert. Er musterte Evelyne und Wenger angewidert. »Das hätte ich mir denken können.«
    »Er ist von alleine drauf gekommen, ich schwör’s«, verteidigte sich Evelyne.
    Blank setzte sich zu ihnen. »Soll ich dir ein Glas holen?« fragte Evelyne. Er schüttelte den Kopf.
    Sie saßen schweigend im Licht einer Stehlampe. Ihr Spiegelbild im großen Fenster war durchsetzt von den fernen Lichtern der Stadt.
    »Willst du reden?« fragte Wenger.
    Blank hob die Schultern.
    »Soll ich raus?« fragte Evelyne.
    Blank hob die Schultern.
    Evelyne ging aus dem Zimmer. Ihr Glas nahm sie mit.
    Wenger nahm einen Schluck. »Vor wem versteckst du dich?«
    Blank überlegte. »Vor mir, vielleicht.«
    »Ist etwas passiert?«
    »Nein. Aber dieses Gefühl von Schuld macht mich fertig.«
    »Gibt es einen neuen Grund?«
    »Die alten Gründe reichen.«
    »Und wo hast du dich so schmutzig gemacht?«
    »Schmutzig?«
    »Evelyne sagt, du seist völlig verdreckt hier angekommen.«
    »Ach so. Im Wald. Der Wald beruhigt mich. Komisch, nicht?«
    »Das letzte Mal, als es dir richtig gut ging, war im Wald.«
    »Ja, da ging es mir gut.«
    Wenger schenkte sich Wein nach.
    »Gibt es psychoaktive Pilze mit anderen Wirkstoffen als Psilocybin?« fragte Blank.
    »Psilocin, Serotonin, Baeocystin, soviel ich weiß.«
    »Könnte es sein, daß sich beim ersten Mal unter meinen Pilzen ein solcher befand und deshalb mein zweiter Trip so ganz anders war?«
    »Nicht auszuschließen.«
    »Glaubst du, es würde sich lohnen, der Sache nachzugehen?«
    Wenger beobachtete Blank, als er sagte: »Da gibt es ein Problem.«
    »Was für ein Problem?«
    »Joe ist tot. Mit Haus und Hof verbrannt.«
    »Ach.« Es klang weder erstaunt noch erschrocken noch enttäuscht. Es war das »Ach«, mit dem jemand einen neuen Umstand zur Kenntnis nimmt, den es bei der Planung weiterer Maßnahmen einzubeziehen gilt. »Ach.«
    Wenger war erleichtert. »Ich würde ohnehin von weiteren Pilzexperimenten abraten. Kaum zu dosieren. Zu unsicher. Zu riskant. Ich bin nach wie vor für eine Analyse.«
    Blank schüttelte den Kopf.
    »Was willst du denn machen?«
    »Ich muß eine Weile weg von allem.«
    »Hältst du das hier für den richtigen Ort?«
    »Was schlägst du vor?«
    »Du sagst doch, daß dich der Wald beruhigt. Ich kenne etwas mitten im Wald. Schönes Haus, schöne Umgebung, gutes Personal, gutes Essen. Nicht ganz billig.«
    »Ein Hotel?«
    »Etwas in der Art.«
    Als Pat um zwei Uhr morgens aus dem Volume nach Hause kam, fand sie Lucille in der Küche hinter der Crème de Banane, die Zunge etwas schwerer als sonst. »Der Herr Dr. Blank ist wieder aufgetaucht. Dreimal darfst du raten, wo.«
    »Bei Mami?«
    »Bei Mami.«
    »Hat er dich angerufen?«
    »Nein. Sein Psychiater.«
    »Oh, pardon.« Pat schenkte sich den Rest Likör in ein Gläschen und prostete ihrer Freundin zu.
    »Soviel zum Thema Dr. Blank«, sagte

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