Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
gesetzt und war zum Fichtenhof hinaufgefahren.
    Der hatte bereits lichterloh gebrannt. Brahma, die Sennenhündin, hatte davorgestanden und die Flammen verbellt.
    Die Gemeindefeuerwehr bestand aus den Bauern der umliegenden Höfe. Sie waren alle bei der Arbeit. Bis sie anrückten, hatte das Feuer bereits auf die Blutbuche hinter dem Hof übergegriffen. Zwar übte die Feuerwehr den Ernstfall regelmäßig, aber bis die Schläuche ausgerollt und angeschlossen waren und mit der Löscharbeit begonnen werden konnte, hatte bereits der Wald gebrannt. Nur mit Verstärkung der Berufsfeuerwehr und mit Hilfe des Baggers eines nahen Bauunternehmens, der eine häßliche Brandschneise in den alten Wald pflügte, konnte das Feuer unter Kontrolle gebracht werden.
    Der Fichtenhof war bis auf die Grundmauern abgebrannt.
    Die Bauern in ihren Helmen und Feuerwehrgürteln standen in Grüppchen herum und spekulierten über die Brandursache. Man war sich einig: fahrlässige Brandstiftung. Besoffen oder unter Drogen mit Feuer hantiert. Ein Wunder, daß das nicht schon früher passiert war.
    Einer der Berufsfeuerwehrleute, die in den Brandtrümmern herumstocherten, näherte sich Blasers Opel. »Wir haben da etwas«, sagte er.
    Blaser holte die Gummistiefel aus dem Kofferraum, zog sie an und suchte sich einen Weg über den Platz, der vom Spritzwasser aufgeweicht und vom Löschgerät zerpflügt war. Er stieg über die Trümmer zu den Feuerwehrleuten, die um etwas herumstanden.
    Blaser wußte sofort, worum es sich handelte. Es war nicht das erste Mal, daß er so einen schwarzen undefinierbaren Klumpen an einer Brandstätte sah. »Wir brauchen einen Sarg«, sagte einer der Feuerwehrmänner.
    Blaser ging zum Wagen zurück und funkte seiner Dienststelle.
    Alfred Wenger war mit einer Patientin beschäftigt. Aber Lucille bestand darauf, durchgestellt zu werden. Ein Notfall. Es ginge um Urs Blank.
    »Hast du es schon gehört?« Sie duzten sich seit dem Pilzwochenende. »Joe ist verbrannt.« Sie berichtete ihm, was sie wußte. Daß der Hof niedergebrannt sei und der halbe Wald.
    »Und weshalb ist das ein Notfall, der Urs betrifft?« fragte Wenger.
    »Seit gestern abend versuche ich es ihm zu sagen. Aber ich erreiche ihn nicht. Weder im Hotel noch in der Kanzlei noch über sein Handy. Niemand weiß, wo er ist.«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    Lucille schwieg einen Moment. »Ich habe ein ungutes Gefühl. Er ist so bedrückt in letzter Zeit. Und jetzt das mit Joe.«
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht.« Wenger klang etwas ungeduldig.
    »Alles hängt irgendwie zusammen«, antwortete Lucille. »Letzte Woche haben wir noch im gleichen Tipi übernachtet. Und jetzt ist Joe tot und Urs verschwunden. Es ist unheimlich.«
    »Ich habe eine Patientin, Lucille.«
    »Entschuldige.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Wenger, bevor er auflegte.
    Aber als die Patientin gegangen war, rief er Blanks Sekretärin an. Von ihr erfuhr er, daß Urs gestern erst am frühen Nachmittag aufgetaucht war, zwei Stunden in Klausur gegangen und auf einmal aus der Kanzlei gestürmt sei. Seither hätte sie nichts mehr von ihm gehört und wisse nicht mehr, was sie den Leuten sagen solle. Sie klang besorgt.
    Auch über die direkte Nummer seiner Suite antwortete er nicht. Von der Rezeption erhielt er die Auskunft, daß Herr Dr. Blank nicht auf seinem Zimmer sei. Die Frage, wann er das letzte Mal im Imperial gesehen wurde, beantwortete man ihm selbstverständlich nicht.
    Zwei Patienten später rief er Evelyne an. Möglichst beiläufig sagte er: »Du, ich versuche Urs zu erreichen. Weißt du, wo er ist?«
    »Ausgerechnet mich fragst du das?«
    »Im Büro und im Hotel weiß man nicht, wo er ist. Seit gestern.«
    »Gibt es einen Grund, sich Sorgen zu machen?« wollte Evelyne wissen.
    Wenger zögerte.
    »Was ist mit ihm, Alfred?«
    »Er ist nicht ganz er selbst. In letzter Zeit.«
    »Ja. Das ist mir auch aufgefallen.« Es klang etwas sarkastisch.
    »Sag ihm, er soll sich bei mir melden, wenn du ihn siehst.«
    Vielleicht war es das Zögern, bevor sie »ja« sagte, vielleicht ein Unterton in ihrer Stimme oder vielleicht einfach Wengers langjährige Erfahrung mit Menschen, die nicht die Wahrheit sagten. Jedenfalls fuhr er nach dem letzten Patienten direkt zu Evelyne.
    Sie schien nicht überrascht über seinen unangemeldeten Besuch und führte ihn ins Wohnzimmer.
    »Trinkst du ein Glas Wein?«
    Sie brachte zwei Gläser und eine halbvolle Karaffe mit Rotwein. Als er ihr beim Einschenken zuschaute,

Weitere Kostenlose Bücher