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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Herbergsvater. »Total gut drauf.«
    Blank packte seinen Rucksack und zog sich um. Seine neue Garderobe stopfte er in eine Einkaufstasche. Auf dem Weg zur Tramhaltestelle warf er sie in den gleichen Abfallcontainer. Dann nahm er das Tram zum Stadtwald.
    Am nächsten Morgen saß er im ersten Regionalzug Richtung Rothausen. Er hatte die Nacht in seinem Biwaksack verbracht, nicht weit von der Waldruhe, wo vor einer Ewigkeit das Ende der ELEGANTSA und ihres Chefs besiegelt wurde. Er hatte geschlafen wie ein Kind.
    Am Anfang war der Zug gut besetzt. Aber als er die Vororte hinter sich gelassen hatte, war Blank alleine im Abteil. Er blätterte in einer Tageszeitung, die ein Passagier auf dem Sitz hatte liegen lassen.
    Im Wirtschaftsteil stieß er auf einen Bericht über das Ende der »Insideraffäre CONFED -Fusion«. Er war eine halbe Seite lang und hielt fest, daß keiner der an der Fusion beteiligten Parteien eine Verbindung zu den Finanzgesellschaften nachgewiesen werden konnte, welche mit Aktienkäufen im großen Stil Kursgewinne von knapp vierhundert Millionen Dollar gemacht hatten.
    Die Namen der Finanzgesellschaften ließen um Blanks bärtige Mundwinkel ein kurzes Lächeln entstehen. Sie hießen BONOTRUST und UNIFONDA .
    Ein paar Seiten weiter, bei den Todesanzeigen, bedankten sich Maria Brunner-Frei und Verena, Max und Enzo für die vielen Zeichen der Anteilnahme beim tragischen Hinscheiden ihres lieben Mannes und Papis Dr. Lorenzo Brunner-Frei.
    Er fuhr an Rothausen vorbei. Erst an der nächsten Station stieg er aus und ging auf einem großen Umweg in seine grüne Lichtung zurück.

16
     
    Fritz Fenner war in Rimmeln aufgewachsen. Seine Mutter hatte mit fünfzehn in der Stadt eine Lehre in einem Schreibwarengeschäft begonnen und war mit sechzehn schwanger geworden. Über den Vater hatte sie sich ausgeschwiegen. Kaum war Fritz auf der Welt, ging sie zurück in die Stadt. Das Kind ließ sie bei ihrer Mutter Anna.
    Anna Fenner lebte von ihrer kleinen Witwenrente und einer Spezereiwarenhandlung mit dem Allernötigsten an Grundnahrungsmitteln und Haushaltsartikeln. Sie hatte einen Kropf, unter dem Fritz mehr litt als sie selbst. Als sie starb, hinterließ sie ihm das Haus mit dem Laden und achtzigtausend Franken, die sie auf wundersame Weise zusammengespart hatte.
    Inzwischen war Fritz etwas über Fünfzig und ein Sonderling, wie es in jedem Dorf einen gibt. Er arbeitete als Hilfsarbeiter auf den Baustellen der Umgebung und fuhr jeden Wochentag mit seinem Militärmotorrad zur Post nach Rothausen, um sein Postfach zu kontrollieren. Er sammelte Kronkorken von Bierflaschen und korrespondierte mit Gleichgesinnten auf der ganzen Welt. Die Wochenenden verbrachte er im Wald.
    Schon als Kind war der Wald der einzige Ort gewesen, wo er sich vor dem Gespött der Dorfkinder sicher fühlte. Er kannte ihn wie seine Hosentasche und hatte ganze Tage in Verstecken verbracht, von denen bis heute niemand wußte außer ihm.
    Vor ein paar Tagen hatte er gemerkt, daß jemand eines davon entdeckt hatte.
    Anfang September war ein Wanderer mit einem Rucksack ins Dorf gekommen und hatte in der Molkerei eingekauft. Als er gegangen war, hatte Ida gesagt: »Komisch, kauft einen ganzen Notvorrat und schleppt ihn nach Burren.«
    Fenner war mit dem Motorrad nach Burren gefahren und hatte den Mann auf der ganzen Strecke nirgends gesehen. Er mußte im Wald verschwunden sein.
    Was wollte einer mit einem ganzen Notvorrat im Wald? Vielleicht ein Verbrecher? Vielleicht ein entlaufener Sträfling? Der Mann war ihm von Anfang an verdächtig vorgekommen.
    Fenner stellte sich vor, wie die Leute im Dorf staunen würden, wenn er im Wald einen entlaufenen Sträfling fangen würde. Er überlegte sich, wo er sich verstecken würde, wenn er ein entlaufener Sträfling wäre, und begann auf seinen Streifzügen im Wald seine alten Verstecke zu kontrollieren.
    Vor drei Tagen hatte er es gefunden. Die Lichtung über dem Schotterbruch. Der Sträfling hatte den Eingang durch das Dickicht mit Jungtannen und Gebüsch getarnt. Er hatte sich gemütlich eingerichtet. Zelt, Tisch, Bank, Unterstand, Feuerstelle, Latrine, Vorratskammern. Auch Salz, Fett, Mehl und Zucker, wie es die Molkerei in Rimmeln verkaufte, fand er. Der Sträfling selbst war ausgeflogen.
    Fritz ließ alles so zurück, wie er es angetroffen hatte. Eine Weile würde er sein Geheimnis für sich allein genießen. Zu einem Zeitpunkt, den nur er bestimmte, würde er zur Polizei gehen.
    Urs Blank fragte sich, ob

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