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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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»Bläuling«
Hut: 7–9 mm, zyanblau, schleimig glänzend, spitz gebuckelt, gerieft.
Lamellen: safrangelb, am Stiel frei.
Stiel: hutfarben, 2–3 cm, schlank, gebrechlich.
Fleisch: lamellenfarben, Geruch leicht unangenehm.
Sporen: Sporenpulver rosa.
Vorkommen: Rubliholz?
    Blank hatte sich nie besonders für Computer interessiert. Sie hatten zu funktionieren und ihm die Arbeit zu erleichtern. Er hatte sich nicht mehr Kenntnisse angeeignet, als dazu unbedingt nötig waren. Als die Kanzlei sich an das Internet anschloß, hatte er ein wenig damit herumexperimentiert und schnell das Interesse verloren. Möglich, daß das Internet ein gutes Recherchierinstrument war, aber zum Recherchieren hatte er seine Leute. Deswegen war er auch erst jetzt auf die Idee gekommen, im Internet nach dem Bläuling zu suchen.
    Blank brauchte eine Weile, bis er im Netz war und sich erinnerte, wie man nach einer bestimmten Sache suchte. Aber als er dann eine Suchmaschine mit dem Begriff »Psilocybin« fütterte, war er sofort in der internationalen Welt der psychedelischen Pilze. Hunderte von Sites und Links und Files und Chatrooms über Shrooms und alles, was auch nur im entferntesten damit zusammenhing. Blank erinnerte sich, daß das einer der Gründe gewesen war, weshalb er das Interesse am World Wide Web verloren hatte: Das Überangebot an Informationen.
    Er löschte das Licht im Büro. Die Fenster gingen auf die Straße. Aber das fahle Leuchten des Bildschirms würde man von dort aus nicht sehen.
    Nach zwei Stunden hatte er die Informationsflut auf die Websites reduziert, die ihm interessant erschienen. Vor allem Kataloge mit detaillierten Beschreibungen psychoaktiver Pilze.
    Blank arbeitete sich systematisch durch die Informationen. Am Bildschirm entstanden Listen chemischer Zusammensetzungen, wissenschaftliche Zeichnungen und künstlerische Porträts immer wieder gleicher Pilze. Einige davon sahen aus, als seien sie unter ihrer eigenen Wirkung entstanden.
    Die interessantesten Seiten speicherte er. Er wollte sie später ausdrucken.
    Da hörte er Schritte im Gang.
    Früher, als sein Name noch nicht auf dem Briefkopf stand, hatte er oft ganze Nächte im Büro verbracht. Es gab keinen Grund anzunehmen, daß Christoph Gerber weniger ehrgeizig war als er damals.
    Blank stand auf, ging zur Tür, nahm sein Jagdmesser aus der Tasche, klappte es auf und wartete.
    Das Geräusch der Schritte kam näher. Vor der Tür hörte es auf. Die Türklinke wurde heruntergedrückt. Blank hielt den Atem an.
    Die Klinke wurde losgelassen, die Schritte entfernten sich, eine benachbarte Türklinke wurde gedrückt, die Schritte entfernten sich weiter.
    Es war nicht Gerber. Es war der Nachtwächter, der seine Runde machte.
    Blank klappte das Messer wieder zu.
    Gegen vier Uhr morgens konnte Blank damit beginnen, die gut zweihundert gespeicherten Seiten auszudrucken. Während der Drucker gemächlich Seite um Seite ausspuckte, stöberte Blank ziellos in Gerbers Computerdateien herum. Eine trug den Namen »Ex Blank«. Sie enthielt zu seiner Überraschung alle seine Ordner, die nicht mit Klienten zu tun hatten. Seine private Korrespondenz, seine sehr rudimentäre Buchhaltung, sein Steuerdossier, seine Kontoübersicht, seine Privatagenda. Offenbar war er für Geiger, von Berg, Minder & Blank elektronisch noch nicht gestorben.
    Einer der Ordner erweckte seine Neugier. Er hieß »Diesundas«. Blank konnte sich nicht erinnern, je einem Ordner den kindischen Namen »Diesundas« gegeben zu haben. Er öffnete ihn.
    Der Ordner enthielt Korrespondenz und Verträge, die die Gründung einer Gesellschaft namens EXTERNAG und deren Mehrheitsbeteiligung an zwei internationalen Finanzgesellschaften regelten. Die eine hieß BONOTRUST , die andere UNIFONDA . Bemerkenswert daran waren die Gesellschafter der EXTERNAG . Es handelte sich um die Herren Geiger, von Berg, Minder, Huwyler, Ott und – in bescheidenem Umfang, aber immerhin – Gerber.
    Was immer dahintersteckte, es interessierte Blank nicht. Er schaltete den Computer aus, ging zum Drucker, packte den Stoß Seiten in einen festen Umschlag, versicherte sich, daß er alles so zurückließ, wie er es angetroffen hatte, und beendete seinen letzten Besuch bei Geiger, von Berg, Minder & Blank.
    Auf dem Rückweg in die Jugendherberge hörte er das erste Tram. Er kam sich vor wie ein Besucher von einem anderen Planeten.
    In einem Fenster der Jugendherberge brannte Licht. Er schloß die schwere Haustür auf und betrat das

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