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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geschwindigkeit. Der Schatten der Libelle streifte den Läufer, und das Fluggerät senkte sich schlingernd herab. An der Bauchseite öffneten sich die Luken eines gewaltigen Docks, das groß genug war, um einen Läufer aufzunehmen, und mächtige Zangen mit mehreren Stockwerken Durchmesser öffneten sich langsam. Ohne diese gewaltigen Moroni-Transporter hätten die Jared niemals alle Abschnitte des Rings rechtzeitig an den Nordpol schaffen können. Ein Bildschirm flackerte und lenkte Gurks Aufmerksamkeit ab. Eine Ameise erschien, kaum zu unterscheiden von ihren Artgenossen, aber Gurks Blick hatte sich in den letzten Wochen geschärft. »Kias«, stellte er fest und verzichtete auf eine Begrüßung. »Die Kraftwerke werden auf Vollast hochgefahren«, teilte ihm der Jared knapp mit. »In zwanzig Minuten wird der Ring seine geplante Leistung erreicht haben.« Irgend etwas in Gurks Unterbewußtsein regte sich, schwerfällig wie ein Bär, der aus einem langen Winterschlaf erwacht. »Das Loch ist bereits zu groß, um auf diese Weise geschlossen zu werden«, sagte er und wunderte sich, warum sein Herzschlag sich plötzlich beschleunigte. Kias nickte. »Wir können die Situation stabilisieren.« »Ihr könnt verhindern, daß es noch größer wird«, schränkte Gurk ein, »solange die Rückstaus aus dem Netz so schwach sind wie in den letzten Stunden. Aber früher oder später wird eine große Schockwelle kommen.« »Natürlich«, sagte Kias. Anscheinend erwartete er einen weiteren Wutausbruch Gurks, wie er in den Tagen nach der Explosion der Black-Hole-Bombe häufiger vorgekommen war. Aber die Aussichtslosigkeit der Situation ließ den Zwerg kalt. Er fühlte sich, als würde er versuchen, zwei verschiedene Gedanken zur selben Zeit zu formulieren. »Ist alles in Ordnung?« fragte Kias. Der Jared-Pilot, ein Mensch,  der die Libelle senkrecht über dem Läufer hielt, warf dem Zwerg einen mißtrauischen Seitenblick zu. »Was werdet ihr jetzt machen?« fragte Gurk, ohne auf die Frage einzugehen. Er war sich bewußt, daß er über Kias eigentlich mit der ganzen Jared-Gemeinschaft sprach, die inzwischen den größten Teil der Erdoberfläche umspannte. »Wir werden warten«, sagte Kias. Die Worte hatten ein dumpfes Echo in seinen Gedanken. Gurk schüttelte den Kopf, um das Echo loszuwerden. »Ihr hofft, daß die rückläufigen Wellen im Netz zu schwach sind, um den Ring zu sprengen«, stellte er fest. »Wir haben keine andere Wahl«, sagte der Jared. »In zwanzig oder dreißig Jahren werden wir vielleicht in der Lage sein, das Loch zu schließen, wenn das Netz die überschüssige Energie abgegeben hat, aber bis dahin …« » … seid ihr machtlos«, beendete Gurk widerwillig den Satz. Seine Zunge fühlte sich wie gelähmt an. Kias nickte. »Es gibt nichts mehr, was wir noch tun könnten.« Irgend etwas in Gurks Bewußtsein regte sich. Er beugte sich vor und schaltete die Verbindung zu Kias, bevor der Jared etwas sagen konnte. Die Zangengreifer der Libelle hatten inzwischen den Läufer erfaßt und zogen ihn mit in die Höhe. Die gewaltigen Triebwerke an der Bauchseite dröhnten, und die mächtigen Flügel veränderten immer rascher ihre Form, um die Böen für zusätzlichen Auftrieb auszunutzen. Einen Moment lang sah es so aus, als würde der Sturm die Libelle mit ihrer Last kippen können, aber dann gewann der Pilot die Balance zurück und zog die Maschine in sicheren Abstand von Ring und Boden. Der Feuerlöscher traf den Piloten am Hinterkopf und riß ihn halb aus den Gurten. Er blieb reglos liegen. Ein menschlicher Schädel brach unter solch einem Schlag. Der Zwerg ignorierte ihn und schaltete die Instrumentenreihe vor dem leeren Sitz des Copiloten ein, um die Kontrolle über die Maschine zu übernehmen. Die Libelle legte sich leicht auf die Seite und zog in einem Bogen wieder auf den Ring zu und in großer Höhe über ihn hinweg. Er schaltete auf  automatische Steuerung und begann, sich anzuschnallen. Ein grünes Licht leuchtete an der Funkanlage auf und zwei weitere an der Bordsprechanlage. Gurk griff wie in Trance nach einem großen Hebel, und hinter ihm wurde der Sicherheitsverschluß des Cockpits verriegelt. Er verdrängte die Jared-Mannschaft auf den Decks hinter und unter ihm aus seinen Gedanken. Der Computer setzte den eingeschlagenen Kurs fort und ließ sich vom Wind spiralförmig immer weiter nach Norden tragen. Inzwischen lag der Ring schon fast dreißig Kilometer hinter ihm. Der Sturm begann,

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