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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Herzschlag beschleunigte sich, als die Spinne träge mit einem Bein wackelte. Er sah sich hastig um, ob vielleicht noch andere der scheußlichen Kreaturen in seine Nähe gekommen waren, aber es war nichts zu sehen. Nach unten konnte er nun nicht mehr klettern. Die Spinne würde ihm den Weg abschneiden. Und über sie hinweg in einem Bogen auf die Galerie zurückzukehren war aus denselben Gründen unmöglich. Blieb nur noch der Weg nach ganz oben. Hartmann legte den Kopf in den Nacken und starrte zum Deckengewölbe empor. Er konnte noch keine Einzelheiten erkennen, aber die Logik sagte ihm, daß das Drahtgewirr irgendwo an der Decke befestigt sein mußte. Vielleicht gab es irgendwelche Fenster oder Einstiegsluken dort oben. Er mußte es darauf ankommen lassen. Langsam und vorsichtig löste er sich aus der Drahtmasche und begann, nach oben zu steigen. Die Spinne ließ ihn so wenig aus den Augen wie er sie. Ihr Blick folgte ihm, während sie mit einigen ihrer Beine zerstreut an den Drähten spielte. Ihr Maul öffnete sich in regelmäßigen Abständen. Vielleicht machte ihr die Hitze nicht weniger zu schaffen als ihm. Nach einer Weile wandte Hartmann den Blick ab und konzentrierte sich auf seinen Weg. Er hatte mindestens zehn Minuten, bevor das Wesen ihn eingeholt haben konnte. Sein Weg führte ihn immer näher an eine der mächtigen Felssäulen heran. Als er die hochragende Wand erreicht hatte, blickte er sich noch einmal um. Die Spinne war nicht mehr zu sehen. Sie mußte den Verzweigungsknoten verlassen haben. Er musterte die Felswand. Zahlreiche Drähte führten mehr oder weniger nah an dem mindestens zehn Meter durchmessenden Basaltzylinder vorbei, aber keiner war an der Felswand befestigt. Der Fels zeigte tiefe Risse und Spalten, und ein Geflecht aus Drähten und Streben bedeckte ihn wie ein ramponierter Nylonstrumpf mit Löchern, durch die ein Lastwagen hindurchgepaßt hätte. Unter irdischen Bedingungen wäre Hartmann niemals auf die Idee gekommen, seine Klettertour an der Säulenwand fortzusetzen, aber es sah so aus, als würde der Fels weitaus weniger Hindernisse bieten als das Gewirr aus dünnen und scharfkantigen Drähten. Außerdem bestand die Gefahr, daß er wie die Spinne in eine Sackgasse hineinkletterte. Er vermutete, daß sein Verfolger nur darauf wartete. Er wußte, daß dieser Weg vermutlich sehr viel einfacher war. Seinen Verstand davon zu überzeugen, daß er tief im Inneren des Mondes in Beinahe-Schwerelosigkeit herumkletterte, war schon schwierig genug, aber sich dazu zu bringen, eine senkrechte Felswand hinaufzuklettern, ohne sich dabei auf mehr als seine bloßen Hände und Füße verlassen zu können, war unmöglich. Er robbte sich näher an die Säule heran. Der geringste Abstand zwischen seinem Drahtbündel und der Säulenwand betrug etwa fünf Meter. Entlang der Säule fand sich überhaupt kein Halt, nichts, um einen Sturz abzufangen. Hartmann hatte es schon nicht gewagt, sich in dem Drahtgewirr einfach durch weite Sprünge fortzubewegen, denn das Risiko, die ausgewählte Verstrebung zu verfehlen oder an einem anderen Draht hängenzubleiben, war ihm einfach zu hoch erschienen. Er bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung und drehte hastig den Kopf. Die Spinne hockte hinter ihm, keine drei Meter entfernt, und ihre beiden Klauenarme waren ausgestreckt. Während er seine Zeit mit müßigen Überlegungen vertan hatte, hatte sein Verfolger ihn eingeholt. Die Kreatur mußte sich weitaus gewandter im Drahtgewirr bewegen können, als er vermutet hatte. Die blauen Augen musterten ihn mit einer nicht zu leugnenden Intelligenz. Langsam senkte die Spinne eine der schweren Klauen und schloß sie um einen der Drähte, auf denen er lag. Die metallisch schimmernden Kanten an der Innenseite der Schere kappten den Draht mit einem melodischen Ton, und der straff gespannte Draht peitschte auseinander. Das Ende schnitt tief in Hartmanns Oberschenkel und riß ihn halb von dem restlichen Bündel los. Er schrie vor Schmerzen auf und hielt sich hastig mit den Händen an dem schwingenden Drahtbündel fest. Die Spinne kam etwas näher heran und zwängte die andere Klaue um einen zweiten Draht. Kurz entschlossen schwang sich Hartmann in die Luft und stieß sich mit aller Kraft ab. Die Kraft seiner Arme ließ ihn mit merklicher, aber erschreckend geringer Geschwindigkeit auf die Felswand zutreiben. Zugleich packte ihn die schwache Schwerkraft und zog ihn abwärts, kaum spürbar erst, dann aber immer

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