Die dunkle Seite des Ruhms
eine Reportage opfern möchte. Wie kann ich ihm das sagen, ohne daß er auf unser intimes Geheimnis stoßen wird? Aber Felicitas provozierte eine Situation, in der er nur unterliegen konnte.
»Das weißt du genau«, antwortete Ballister.
»Ich weiß nichts. Ich kenne keinen Grund, der mir verbietet, die Reportage des Jahrzehnts zu machen.«
»Für ACF!« donnerte Hunters aus dem Hintergrund am Fenster.
»Es ist einfach zu gefährlich!« schrie Ballister zurück. »Wenn das kein Grund ist!«
»Wir werden Felicitas mit 1 Million versichern! Dann ist Rosa gesichert.«
»Du bist ein Herzchen!« sagte Ballister dumpf. »Ein Gemüt wie ein Nashorn! Was ist eigentlich der Mensch bei dir wert?«
»Wir machen hier Fernsehen!« Hunters seufzte auf, als sei sein Herz weggerutscht. »Über den Wert eines Menschen kann man keinen Film drehen.«
»Man kann … die Opferung der Felicitas Saunders für eine Tagessensation!«
»Hervorragend.« Hunters kam an den Tisch, goß sich einen Whiskey ein und knallte die Flasche auf die Platte. »Du übernimmst ab sofort die Sonntagmorgen-Sendung ›Das ist der Tag des Herrn‹! Da kannst du predigen, daß die Mütterlein im eigenen Wasser schwimmen lernen.«
»Ich weiß nicht, warum ihr euch streitet«, sagte Felicitas. »Jérome, mir kann gar nichts passieren. Die Weltöffentlichkeit ist doch dabei.«
»Die Weltöffentlichkeit wird sich wegen einer Felicitas Saunders nicht aus den Angeln heben lassen. Sie hat die Greuel in Korea angesehen, Vietnam, Kambodscha, Bangladesch, die Flucht von Millionen über Land und Meere. Und was hat sie getan? Sie war entsetzt! Na und! Sie klagte an. Die Beklagten hatten dadurch einige fröhliche Stunden. Sie lachten sich über die Weltöffentlichkeit krumm! Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn Felicitas Saunders in Libyen verschwindet? – Nichts geschieht! Ein paar Zeilen in den Zeitungen, Hunters wird im Fernsehen seine Empörung kundtun, aber gegen das Argument der Gegenseite kommt er nicht an: Es waren Banditen, die Felicitas in der Wüste raubten! Man sucht sie jetzt. Banditen gibt es überall, am meisten in den USA! – Und nach wenigen Tagen spricht keiner mehr von Felicitas. Wer kennt heute noch die arme, kranke jüdische Greisin, die von Amin in Entebbe aus dem Flugzeug geholt wurde und irgendwo ermordet wurde? Wer spricht noch von ihr?«
»Ich!« sagte Felicitas ruhig. »Ich werde Amin nach ihr fragen.«
»Sie ist übergeschnappt!« rief Ballister entsetzt. »Hunters, gestehe wenigstens, daß so etwas Wahnsinn ist!«
»Es ist Wahnsinn, Felicitas!« dröhnte Hunters und wackelte mit den Ohren. Jetzt ist er weit genug, dachte Ballister. Wir sollten das Gespräch abbrechen. Es führt zu nichts mehr. Wir werden uns nur noch wüst beschimpfen. »Jérome hat völlig recht, aber es ist ein Wahnsinn, der unbezahlbar ist, wenn er gelingt!«
»Außerdem – wer sollte mich verschwinden lassen? Und warum?« fragte Felicitas logisch.
»Niemand.« Ballisters Stimme war rostig vor Erregung.
»Jetzt ist er völlig aus seiner Haut!«, sagte Hunters und starrte Ballister wie einen sich krümmenden Kranken an.
»Niemand, wenn die Saunders als Touristin herumreist. Aber wir kennen sie doch. Wie war das bei Arafat? Der hat das Gespräch abgebrochen und war so höflich, sie nicht sofort einzulochen. Wie war das bei Pol Pot? Der hat sie mit Gewalt an die thailändische Grenze bringen lassen und abgeschoben. Alles Gentlemen – soweit es sich um Felicitas handelte. Bei Idi Amin habe ich Bedenken. Wenn Felicitas bei ihm in ihrer Manier loslegt und ihn fragt: Haben Sie Ihre Frau den Krokodilen vorgeworfen? Haben Sie selbst mit einem Eisenhammer Gefangene erschlagen? Haben Sie einem Ihrer Minister die Augen und die Zunge herausreißen lassen? Haben Sie Ihren Gegnern die Genitalien abschneiden lassen und sie dann gezwungen, diese zu essen? Was wird dann wohl sein? Wird Amin wohlig lachen und sagen: Felicitas, du bist ein kleiner Witzbold! Alles imperialistische Lügen! – Hunters, sauf nicht wie ein bodenloser Eimer … sag auch ein Wort!«
»Felicitas sollte solche Fragen vermeiden.« Hunters sah die Saunders wie um Verzeihung bittend an. »Es gibt doch noch andere Fragen …«
»Dann fliegt sie nicht. Stimmt's?«
»Stimmt!« sagte Felicitas. »Meine Interviews bestimme ich allein! Ich frage, was mir paßt! Ich habe keine Angst.«
»Aber ich!« brüllte Ballister. »Ich! Gilt das nicht?«
»Wo kommen wir hin, wenn im Fernsehen persönliche
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