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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Üsker?« Sein Peiniger tat, als müsse er überlegen. »Klein, klein, klein... Üsker war ein Schwein. Ich glaube, das war der Grund. Klein, klein, klein ...«
    »Warum?«
    »Warumpapum!«
    Sein Gegenüber hob die Brauen und schnitt eine Grimasse wie ein Clown.
    »Üsker war böse. Bi‐ba‐böse. Fuhr zur Hölle mit Getöse. Ohne Finger, ohne Nöse. Sag mal, Ymir, mein Alter, bist du wirklich so dämlich oder tust du nur so?«
    Solwegyn schüttelte stumm den Kopf.
    Der andere erhob sich und kam näher.
    »Du willst wissen, warum Üsker starb? Das ist die falsche Frage.
    Die richtige Frage lautet, wer noch alles sterben wird.«
    Solwegyn sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Die Angst erstickte jedes Wort in seiner Kehle.
    »Ich will nicht«, krächzte er.
    »Was willst du nicht? Sterben? Das wollte ich auch nicht.«
    »Wovon redest du? Du bist tot. Du bist überhaupt nicht hier, alle haben gesagt, daß du tot bist.«
    »Ja, es ist eine Menge Blödsinn erzählt worden in den letzten Jahren. Marmann zum Beispiel, von dem hört man die unglaublichsten Dinge.«
    Solwegyn keuchte und sagte nichts.
    »Ich habe ein bißchen die Augen und Ohren offengehalten«, fuhr der andere fort. »Solltest du zufällig wissen, wo er sich aufhält? Solltest du?«
    So schrecklich seine Situation war, schossen Solwegyn plötzlich die dreißigtausend durch den Kopf.
    »N... nein«, sagte er.
    »Oh!« Sein Gegenüber setzte eine erschrockene Miene auf. »Nicht?
    Da bin ich offenbar falsch informiert. Mein Gott, entschuldige, Kamerad! Da muß ein Mißverständnis vorliegen. Ich werde dich natürlich augenblicklich losbinden. Jeeesus! So was Dummes aber auch. Ymir, mein armer Alter, soll ich einen Krankenwagen rufen?«
    So viel Besorgnis schwang in der Stimme mit, daß es beinahe echt klang, hätte sein Tonfall nicht zugleich vor Hohn getrieft.
    »Ich hab dir doch nichts getan«, wiederholte Solwegyn verzweifelt.
    »Du deckst meine Feinde, alter Freund. Das reicht.«
    »Ich decke niemanden. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer deine Feinde sind.«
    »Da wäre Marmann, um einen zu nennen.«
    »Marmann? Oh Gott im Himmel! Ich weiß nicht mal, ob der überhaupt noch lebt.«
    »Hm.« Der andere sah ihn zweifelnd an. »Ist das auch die Wahrheit?«
    Solwegyn stutzte. Plötzlich faßte er neue Hoffnung.
    »Ja, bestimmt! Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung.«
    »Ach, Ymir.« Der Mann schüttelte traurig den Kopf. »Weißt du, woran ich manchmal denke?«
    »Nein. Nein.«
    »An unsere guten alten Tage. Als wir meinten, wir könnten die ganze Welt bewegen.«
    Er begann vor Solwegyn auf und ab zu gehen, den Zeigefinger starr in die Luft gereckt.
    »Wir waren Freunde, Ymir. Kameraden. Wir hatten geschworen, uns gegenseitig zu helfen, egal, wie schlimm es auch kommt. Erinnerst du dich?«
    »Ja.«
    »Uns beizustehen in allen Lagen. Jeder für den anderen da zu sein, bis zum bitteren Ende. Unser Blut zu geben, ja, unser Blut! Erinnerst du dich?«
    »I... ich weiß nicht...«
    »Unser Blut! Willst du mir weismachen, du erinnerst dich nicht?
    Willst du mich verärgern, wo ich gerade in einer so weichen und barmherzigen Stimmung bin? Willst du mir diese Stimmung versauen, indem du dreckige, stinkende Lügen auskotzt, du erbärmliches Stück Scheiße?«
    Rasch trat er auf Solwegyn zu und schlug ihn mehrfach ins Gesicht.
    »Ich habe gelitten ...« Ohrfeige von rechts. »Gelitten.« Ohrfeige von links. »Gelitten!« Ohrfeige von rechts. »Gelitten! Gelitten! Gelitten!«
    »Aufhören, bitte. Ich ...«
    »Gelitten!« schrie der andere. »Ihr seid alle schuld, jeder einzelne.
    Ich werde euch alle kriegen, alle, die ihr versucht habt, mich zu täuschen und zu hintergehen! Hörst du?«
    Solwegyn fühlte, wie er in der Fesselung in sich zusammensackte.
    »Ob du mich hörst?«
    »J... ja«, hauchte er.
    »Das ist ja schön. So, und du sagst mir also, du hast nicht den Schimmer einer Ahnung, wo sich mein Freund Marmann aufhält, wie?«
    »Ich schwöre dir, ich ...«
    »Ja, und du hast auch geschworen, dein Blut für mich zu geben. Hast du, ich weiß es noch genau.«
    Er hatte aufgehört zu schreien. Von einem Moment auf den anderen klang seine Stimme wieder ruhig und gelassen, als plaudere er mit einem Bekannten.
    »Tja, Ymir, alter Junge ... fangen wir an.«
    Solwegyn sah entsetzt, wie der Mann ein Skalpell aus dem Gürtel zog. Es glitzerte kalt, als er es zwischen Daumen und Zeigefinger in die richtige Position brachte.
    Und in dem Gürtel steckte noch

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