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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kerzen krümmten sich schwarze Dochte, aber sie waren nicht heruntergebrannt. Vera suchte nach der Erinnerung, sie gelöscht zu haben. Mit Sicherheit hatte sie es getan. War noch einmal aufgestanden, schon im Halbschlaf, und hatte jede einzelne ausgeblasen. Oder Simon hatte dafür gesorgt, daß sie nicht beide in ihrem Kokon verbrannten.
    Oder ein Wüstenwind.
    Fast erwartete sie, alles mit einer feinen Sandschicht überzogen zu finden. Von dem Traum war nichts geblieben als zuckendes Unbehagen mit der Tendenz, zu verschwinden wie Zahnschmerzen nach Einnahme einer Tablette. Das Sonnenlicht wirkte betäubend.

    Simon.
    Plötzlich wurde aus einem Bathge ein Simon. Einfach so, durch den Austausch von Körperflüssigkeiten.
    Vera ging in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Der Eisschrank gab nicht viel her. Milch, Säfte. In der Tür ein Rest Butter. Unten im Fach zweihundert Gramm eingeschweißter Räucherlachs. Sie zog die Gefrierschublade auf und fischte einen Plastikbeutel mit tiefgekühlten Toastscheiben hervor. Der Toaster brauchte eine Minute länger, um sie zu bräunen, aber das Brot konnte nicht schimmeln, ähnlich, wie Gefühle keinen Schaden nehmen, wenn man sie einfriert. Liebe und Abscheu vernünftig portioniert. Immer nur so viel, wie man braucht, und einen Vorrat, an den keiner drankommt.
    Sie fand zwei Joghurts.
    Gleich zwei!
    Gar nicht mal so schlecht für jemanden, der keinen Besuch zum Frühstück erwartete.
    Vera legte eine CD von Satie auf und bereitete das Frühstück, während leise Klavierläufe durch die Wohnung perlten. Dann ging sie ihren Klienten wecken, und das Wecken zog sich hin, bis sie beide glühten und der Toast eiskalt war und sie neuen machen mußte, weil sie kalten Toast nicht mochte.
    Sie schafften es sogar noch, Bathges persönlichen Alptraum, der nun auch ihrer zu werden drohte, während des gesamten Frühstücks zu ignorieren.
    Eine Idylle auf Zeit.
    Vera wußte das, und sie wußte auch, daß die Zeit gerade ablief.
    Sie aßen den Lachs mit den Fingern aus der Folie, bis nichts mehr da war, als müßten sie alles nehmen, was der Augenblick ihnen gönnte. Dann stellte Vera Teller und Tassen in die Spüle, und schweigend zogen sie sich an.
    »Was willst du jetzt tun?« fragte sie beiläufig.
    Einer mußte ja anfangen.

    Er zog eine Zigarette hervor, betrachtete sie nachdenklich und steckte sie wieder weg.
    »Keine Ahnung. Was Marmann angeht, hast du wahrscheinlich recht.«
    »Also verlegen wir uns auf Lubold?«
    »Vera, da ist etwas, das ich nicht verstehe. Warum gerade er? Ich meine, warum der Erstbeste, der uns in den Sinn kommt? Jemand, der seit acht Jahren tot ist.«
    »Lubold ist nicht der Erstbeste, sondern der Nächstliegende«, sagte Vera. »Und das weißt du sehr genau.«
    »Mir fällt aber beim besten Willen kein Grund ein. Es ist nicht plausibel.«
    »Es muß einen geben.« Vera überlegte kurz. »Irgendeine Verbindung zwischen ihm und Marmann. Vergiß mal Üsker. Vergiß auch Solwegyn. Vergiß meinetwegen sogar dich, es sieht ja gar nicht danach aus, daß er dich sucht. Wir sind beide noch am Leben, stimmtʹs? Gehen wir meinethalben davon aus, er hat uns benutzt, um Marmann zu finden. Wie er das gemacht hat, weiß ich nicht, aber auch das lassen wir mal beiseite. Wahrscheinlich hat er nicht uns überwacht, sondern Solwegyn. Lubold und Marmann, darauf läuft alles hinaus. Was war zwischen den beiden?«
    Bathge sah sie von unten herauf an.
    »Du stellst Fragen.«
    »Du bezahlst mich fürs Fragenstellen. Schon vergessen? Der Hund macht seinen Job.«
    Er grinste.
    »Hast du einen Aschenbecher?«
    »Nein. Aber ich werde einen kaufen.«
    »Ich weiß nicht, was Marmann und Lubold miteinander zu schaffen hatten. Ich muß darüber nachdenken. Marmann ist ziemlich auf Lubold abgefahren, schon möglich, daß da mehr war, als mir im Augenblick bewußt ist.«
    »Willst du alleine sein, um darüber nachzudenken?«

    »Ja, das wäre das beste.« Er zögerte. »Aber ich würde gerne...«
    »Ich würde auch sehr gerne«, sagte sie. »Ich will, daß es anfängt, nicht daß es vorbei ist.«
    »Sehen wir uns heute abend?«
    Sie zögerte.
    »Geht in Ordnung.«
    »Gut. Bis dahin versuche ich eine Antwort zu finden. Was ist mit dir?«
    »Ich werde in Lubolds Vergangenheit rumstochern und hoffen, daß sie nicht allzusehr stinkt.«.
    Er strich ihr übers Haar.
    »Sei vorsichtig«, sagte er. Sein Blick war besorgt.
    Welche Art Sorge, dachte sie. Es gibt die Sorge um sich selber und die

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