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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zwischen denen keinerlei Zusammenhänge zu bestehen schienen.
    »Also ist Solwegyn nicht erschossen worden«, mutmaßte Vera.
    »Nein«, knurrte Menemenci. »Man hat ihn gefoltert, nicht ganz so ausgiebig wie Üsker, aber wohl so, daß er sich veranlaßt sah, dem Mörder etwas zu verraten.«
    »Das ist spekulativ.«
    »Nein, ist es nicht. Solwegyn konnte mir nicht mehr sagen, was er seinem Mörder verraten hat, aber daß er ihm etwas verraten hat. Das gleiche Spiel wie bei Üsker. Auch Solwegyns Verletzungen waren nicht tödlich. Sie dienten bei Licht betrachtet einem nüchternen Zweck – ihn zum Reden zu bringen. Dann folgte die Hinrichtung.
    Üsker mußte elendiglich verbluten...«
    »Und Solwegyn?« fragte Vera.
    »Verbrennen. Sein Mörder hat sich nicht der Mühe unterzogen, ihn vorher zu erschießen. Er hat einfach Feuerchen gelegt. So.« Menemenci beugte sich vor und tat, als knipse er ein Feuerzeug an.
    Vera fühlte sich scheußlich. Sie hätte an Menemencis Stelle nicht anders gesprochen. Vielleicht war es doch keine gute Idee, sein Angebot zur Kooperation abzulehnen.
    Aber sie war fest entschlossen, Simon Bathge nicht zu verraten. Es hatte weniger mit der vergangenen Nacht zu tun. Loyalität war eine Grundsatzfrage, solange sie auf Vertrauen fußte.
    Und sie hatte beschlossen, Bathge zu vertrauen.
    »Das ist schrecklich«, sagte sie.
    »Dann gibt es da einen Lubold, der aber tot ist«, sagte Menemenci.
    »Und einen Marmann, der nach dem Golfkrieg untertauchte. Und einen Bathge. Marmann wird gesucht, bleibt Bathge. Nehmen wir an, Bathge sucht Marmann ...«
    »Jeder könnte Marmann suchen. Aus allen möglichen Gründen.«
    »...dann heißt Ihr Klient Simon Bathge.«
    Vera ließ einen Moment verstreichen.
    »Guter Versuch«, sagte sie. »Aber ich werde Ihnen den Namen meines Klienten nicht nennen.«
    Menemenci schwieg.
    »Wer immer Marmann sucht«, fuhr sie fort, »muß etwas mit der Gruppe zu tun haben, das ist mir schon klar. Alles andere wäre zuviel des Zufalls. Aber besteht nicht auch die Möglichkeit, daß dieser Jemand Marmann sucht, um einem weiteren Mord zuvorzukommen?«
    Menemenci starrte sie an.
    »Mumpitz. Zusammenhangloses Zeug. Sie wollen mir erzählen, Marmann sei Üskers Mörder?«
    »Vielleicht ist Marmann auch das nächste Opfer. Rein hypothetisch.«
    »Rein hypothetisch. Ah ja. Wissen Sie, was wir noch herausgefunden haben? Auch Üsker hat Marmann gesucht. Er hat in den letzten Jahren mehrfach Nachforschungen anstellen lassen, aber sie verliefen im Sande.«
    Auch Üsker? Das war seltsam. Welchen Grund hätte Üsker gehabt, nach dem Mann zu forschen, den sie damals in der Wüste zurückgelassen hatten? Bathge hatte immerhin Gründe vorzuweisen, wenn sich auch abzeichnete, daß er einem gewaltigen Irrtum unterlag.
    Aber Üsker?
    Menemenci schien ihre Unsicherheit bemerkt zu haben. Er lächelte dünn und ohne Herzlichkeit.
    »Wie es aussieht, wissen Sie doch nicht alles«, sagte er. »Aber Sie wissen, daß Solwegyn einräumte, jemand anderer könne der Mörder sein. Erinnern Sie sich?«
    »Lubold ist tot, wenn Sie darauf anspielen. Auch das hat Solwegyn gesagt.«
    »Seine Frau ist anderer Ansicht. Sie meint, Sie hätten Lubold erst auf seine Fährte gehetzt.«
    »Was für ein Unsinn!«
    Wirklich? Hatte sie nicht gestern selber die düstere Möglichkeit erwogen, Lubold habe einen Weg gefunden, sie und Bathge zu überwachen, um ihnen immer einen Schritt voraus zu sein?
    War das Ganze ein Spiel?
    »Lubold ist nur ein Gespenst aus Sand«, sagte sie leise vor sich hin.
    »Was?«
    »Schon gut.«
    Menemenci schien einen Augenblick zu überlegen. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und bekam etwas Verständiges und Väterliches.
    »Es ist schon ganz anderen passiert, daß sie Verbrechern unwissentlich zugearbeitet haben. Sind Sie sicher, daß Sie Ihrem Klienten vertrauen können?«
    »Ja.«
    Er nickte deprimiert und legte die Hände ineinander.
    »Ich habe versucht, ein Täterprofil zu erstellen«, sagte er. »Demnach hat sich der Mann, der Üsker und Solwegyn getötet hat, enorm unter Kontrolle. Er arbeitet absolut professionell. Nie geht er zu weit. Nie dreht er durch. Als ich Üskers Obduktionsbericht in Händen hielt, dachte ich zuerst, er habe dennoch die Kontrolle verloren, nämlich in dem Augenblick, da er Üsker in den Bauch schoß. Mittlerweile bin ich anderer Meinung. Ich denke durchaus, die Hinrichtung diente einem weit persönlicheren Zweck als die Befragung unter der Folter, war

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