Die dunkle Seite
Sie, setzen wir uns.«
Sie hatte nie zuvor auf einem alten englischen Ledersofa mit Knöpfen und geschwungenen Armlehnen gesessen. Es war überraschend bequem.
»Sie wollen etwas über Jens Lubold wissen«, sagte Halm und nahm ihr gegenüber Platz. »Warum?«
»Ich habe einen Klienten, der sich für Lubold interessiert.«
»Verstehe. Warum fragen Sie Lubold nicht selber?«
Einen Moment lang war sie verblüfft. Aber woher sollte Halm wissen, was Lubold nach seiner Entlassung getrieben hatte.
»Wie es aussieht, ist er gefallen«, sagte sie.
»Gefallen?«
»Einundneunzig. Am Golf.«
»Im Golfkrieg!« Seine Augen blitzten. »Er hat sich also von der Mutter aller Schlachten adoptieren lassen. Hätte mich auch gewundert, wenn er sich kampflos ins Privatleben zurückgezogen hätte.
Auf wessen Seite stand er?«
»Ich schätze, auf der richtigen.«
»Der richtigen?« Halm lachte. »Das haben Sie aber schön gesagt.
Welche meinen Sie denn?«
Sie sah ihn verständnislos an. Dann dämmerte ihr, daß sie geantwortet hatte wie auf Knopfdruck.
»Saddams Seite war jedenfalls nicht die richtige.«
Zwecklos. Fauxpas.
»Also war die andere die richtige?« Er lachte wieder. »Na schön, Lubold ist unter die Freiberufler gegangen. Er hätte ebensogut für Saddam kämpfen können. War er bei der Fremdenlegion?«
»Woher wissen Sie das?« fragte Vera überrascht.
Er zuckte die Achseln.
»Keine reguläre Armee hätte ihn aufgenommen, nachdem wir ihn damals rausgeschmissen haben. Ah, da kommt Lorenza mit dem Tee. Oh! Kaffee für die Dame. Gut, gut.«
Halms Frau stellte ein Tablett ab, verteilte Kännchen, Tassen und Gebäck.
Ob die Haie auch Gebäck bekamen?
»Lubold«, fuhr Halm fort, nachdem Lorenza gegangen war, »ist unehrenhaft entlassen worden. Das versperrt viele Türen. Je nachdem, was man verbrochen hat, auch die zur Polizei. Es gibt einen Haufen paramilitärischer Verbände, denen Sie beitreten können, wenn Sie denn partout nicht auf die Uniform verzichten wollen, aber die meisten fechten ihre Kriege in den öffentlichen Grünanlagen aus. Lubold war keine Simulantenseele. Er wollte richtig kämpfen. Da ist die Fremdenlegion das Naheliegendste.«
»Er war tatsächlich bei der Fremdenlegion. Fünf Jahre, glaube ich.«
»Ja, ich weiß. Die Mindestzeit.« Halm schlürfte genüßlich an seinem Tee. »Und dann?«
Vera mußte unwillkürlich lächeln. Halm blieb man keine Antwort schuldig. Sie war hergekommen, um etwas über Lubold zu erfahren. Statt dessen versorgte sie den Oberstleutnant mit den wenigen Informationen, die sie besaß.
»Er wechselte zu einer anderen Organisation. Sie nennt sich ZERO und ...«
»Nannte«, korrigierte Halm. »Fouk hat ZERO liquidiert.«
»Sie kennen Fouk?«
»Nicht persönlich. Aber ich kenne sämtliche Söldnerformationen.
ZERO mußte scheitern. Das war vorauszusehen.«
»Warum?«
»Weil Fouk einen schweren Fehler begangen hat. Im Ansatz war sein Konzept der Spezialisierung gut. Aber man gewinnt keine Schlacht mit einem Haufen Einzelkämpfer. ZERO ist Opfer eines übertriebenen Individualismus und menschlicher Führungsschwä‐
che angesichts übermächtiger Technologien geworden. Leute wie Lubold ordnen sich nicht unter, sie befehligen ihre Einheiten dahin, wo es ihnen gerade paßt.«
Vera nahm einen Keks. Er war winzig und köstlich.
»Zu welchem Schluß ist die Kommission damals gelangt?« fragte sie.
Halm hob die Brauen.
»Wir befanden ihn für schuldig. Das Problem war, daß man ihm nicht hundertprozentig nachweisen konnte, den Tod des Soldaten in letzter Konsequenz herbeigeführt zu haben, darum mußten wir es beim Rausschmiß belassen. Ich hätte ihn liebend gerne hinter Gitter gesteckt.«
»Tod des Soldaten?«
»Mord, was denn sonst? Meiner Ansicht nach hat er den Soldaten ermordet. Er wußte, daß der Mann schwerverletzt war. Lubold hat die Bedingungen dafür geschaffen, bewußt und willentlich, daß er schließlich starb.«
»Aber das ist nie so ins Protokoll gekommen?«
Halm machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Natürlich nicht. Sonst hätten wir ihn ja eingemauert. Es gibt natürlich immer ein gewisses Risiko, sich während einer Übung zu verletzen oder zu Tode zu kommen. Unfälle sind gar nicht zu vermeiden. Aber hier ging es meines Erachtens um vorsätzlichen Mord.«
»Warum?« fragte Vera. »Warum hätte Lubold ein Interesse daran haben sollen, einen Soldaten zu ermorden?«
»Dafür hätten wir in seinen Kopf schauen müssen«, sagte
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