Die dunkle Seite
Feldwebel von der Panzerdivision an.
»Es gibt einen Haufen Verfahrensakten gegen Angehörige der Bundeswehr«, sagte der Feldwebel. »Wann soll denn dieser Prozeß stattgefunden haben?«
»Anfang bis Mitte der Achtziger«, sagte Vera. »Wahrscheinlich dreiundachtzig, aber nageln Sie mich nicht drauf fest.«
»Jens Lubold?«
»Ja.«
»Wissen Sie, welchen Rang er damals bekleidete?«
Vera überlegte.
»Nein.«
Sie wußte wirklich so gut wie nichts.
Der Feldwebel räusperte sich. »Na schön. Geben Sie mir eine Viertelstunde. Ich sehe zu, was sich machen läßt. Übrigens, wann sind Sie mal wieder in Bonn?«
»Wenn sich die Gelegenheit ergibt.«
»Kommen Sie auf einen Sprung vorbei. In der Kaserne wird nicht gerade gut gekocht, aber mein Vorzimmer macht immer noch den besten Kaffee.«
»Gerne.«
Sie legte auf und überlegte, ob sie Bathge anrufen sollte, um ihm zu sagen, er solle sich eines gewissen Feuerzeugs entledigen. Aber telefonisch war das noch blöder. Einen Moment lang widerstand sie der Versuchung, dann fuhr sie den kleinen Monitor aus und rief den Stadtplan auf.
Er war im Hyatt.
Wieder – unausweichlich – dieselbe Frage: Was tat er ? Was tat er den ganzen Tag?
Vera beschloß, ihn zu fragen. Sie beide waren an einen Punkt gelangt, der keine Unklarheiten mehr vertrug.
Wenige Minuten später meldete sich der Feldwebel.
»Ich kann Ihnen nichts über Jens Lubold erzählen«, meinte er seltsam vergnügt.
»Oh«, sagte Vera enttäuscht.
»Aber Stephan Halm kann es. Und er könnte es sofort, wenn Sie wollen.«
»Stephan Halm? Müßte der mir was sagen?«
»Nein. Oberstleutnant Halm war Kommandant der Kaserne, an der Lubold in Mißkredit geriet. Er leitete den Ermittlungsausschuß.
Wenn es jemanden gibt, der Ihnen über Lubold Auskunft geben kann, ist er es.«
Das war großartig!
»Und er hätte Zeit für mich?«
»Sie können gleich hinfahren, wenn Sie wollen. Halm ist seit einigen Jahren nicht mehr im aktiven Dienst. Er arbeitet als freier Berater im Auftrag der Bundesregierung.«
»Was macht er da?«
»Zukunftsforschung. Lesen Sie seine Bücher. Er beschäftigt sich mit der Entwicklung künftiger Kriegsszenarien. Seine Theorien über die Echtzeitgesellschaft sind hochinteressant. Sie sollten ihn allerdings sehr gezielt befragen, sonst kaut er Ihnen ein Ohr ab.«
»Vielleicht sollte ich einige seiner Titel kennen.«
»Das Ende der Verantwortung, darauf können Sie ihn ansprechen, aber tun Sie um Himmels willen nicht so, als hätten Sieʹs gelesen. Er hebelt Sie ruckzuck aus, und dann sind Sie unten durch. Ich gebe Ihnen die Adresse. Wann können Sie da sein?«
»In einer Stunde.«
»Gut, ich kündige Sie an. Vergessen Sie nicht, daß mein Vorzimmer ...«
»... den besten Kaffee kocht. Bestimmt nicht.«
15.07 Uhr. Kölner Hauptbahnhof
Der Beamte wog das Päckchen.
»Mit Normalbeförderung stehen Sie sich am besten«, sagte er.
»Dann ist es zwar nicht gleich am Sonntag da, aber immerhin Montag morgen.«
»Montag ist zu spät«, sagte der Mann vor dem Schalter.
»Wir könnenʹs natürlich auch als Expreßgut deklarieren«, räumte der Beamte ein und sah mißbilligend über den Rand seiner Brille.
»Das wird aber teuer!«
»Egal.«
»Überlegen Sie sich das. Ich würd den einen Tag in Kauf nehmen.«
»Wissen Sie, mein alter Onkel ist da etwas eigen«, sagte der andere in vertraulichem Ton. »Wenn er sein Geschenk zu spät bekommt, könnte er ... naja, er könnte mich enterben.«
Der Schalterbeamte machte große Augen.
»Muß aber ʹn reicher Onkel sein.«
»Ich weiß nicht genau, wie reich er wirklich ist. Aber genug, daß man sich dafür ein Bein ausreißt.« Der Mann grinste. »Oder wenigstens ein Stückchen davon.«
Der Beamte lachte. Zwischen ihnen straffte sich das Band der Verschwörung.
»Na, dann wollen wir Ihrem Päckchen mal Feuer machen. Kostet also ... Moment...« Er blätterte in einer Tabelle. »Insgesamt mit allem Drum und Dran zwanzig Märker. So ʹn Onkel hätt ich auch mal gern.«
»Lieber nicht.« Der Kunde schob das Geld rüber. »Unter uns gesagt, es ist eine einzige Quälerei mit dieser Art Verwandtschaft.«
Der Beamte nickte verständnisinnig.
»Machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte er. »Morgen mittag hat erʹs.«
»Dann bin ich beruhigt.«
Der Mann ging. Der Beamte sah ihm hinterher und wunderte sich über die Welt. Er nahm das Päckchen, um es auf den Stapel anderer Sendungen zu legen, die per Bahnexpreß rausgehen sollten. Sein
Weitere Kostenlose Bücher