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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Küß mich schon.«
    Es schmatzte mehrfach in der Leitung. Sie grinste und hielt das Handy ein Stück vom Ohr weg.
    »Genug, das reicht!«
    »Gute Nacht, Vera.«
    »Gute Nacht, Simon.«
    Sie drehte den Kopf und sah zum offenen Fenster hinaus in den nächtlichen Himmel. Der Mond stand klar über den Dächern. Aus dem Fernseher dudelte Musik.
    Sie schaltete ihn aus und begnügte sich mit dem Mond.

Montag, 30. August

9.12 Uhr. Präsidium
    Das Telefon schellte. Menemenci hob den Kopf von dem Stapel Zeugenaussagen, die nach einer Messerstecherei in der Südstadt zu allem Überfluß auf seinen Schreibtisch geflattert waren. Er fühlte sich benommen. Während der Nacht hatte er kein Auge zugetan. Es war zu heiß gewesen, und er hatte zuviel Bier getrunken mit Cüpper.
    Langsam streckte er die Hand aus, nahm den Hörer ab und gähnte hinein.
    »Guten Morgen«, sagte Krantz spöttisch.
    »Danke.« Menemenci reckte sich. »Sonst noch was?«
    »Eine Vermißtenmeldung.«
    »Warum so früh? Warum können die Leute sich nicht nachmittags vermissen lassen oder Dienstags?«
    »Die Vermißte heißt Nicole Wüllenrath. Ihre Eltern haben sie vergangenen Samstag zum Abendessen erwartet. Sie kam aber nicht und ist seitdem auch nicht mehr aufgetaucht.«
    »Na schön. Kümmern Sie sich drum.«
    »Ich habe sieben Fälle ...«
    »Ich auch.«
    »Und Nicole Wüllenrath ist die Schwester von Andreas Marmann«, sagte Krantz mit Nachdruck. »Soll ich mich immer noch drum kümmern?«
    Menemenci war schlagartig wach.
    »Was sagen Sie?«
    »Er hat eine Schwester.«
    »Wir hatten Marmanns Familienverhältnisse doch schon überprüft, oder?«
    »Tja, aber die Schwester ist uns entgangen.«
    »Warum, zum Teufel?«
    »Weil wir genug anderes zu tun haben«, ereiferte sich Krantz. »Ich muß halb Köln überprüfen. Natürlich wußten wir, daß er eine Schwester hat, nur nicht, daß sie mittlerweile Wüllenrath heißt. Morgen hätten wirʹs gewußt.«
    »Toll.« Menemenci trommelte mit den Fingern auf seine Schreibtischunterlage. »Nach Üsker und Solwegyn jetzt Marmanns Schwester.«
    »Es steht ja nirgendwo geschrieben, daß sie tot oder entführt ist.«
    Krantz hatte recht. Dennoch verspürte Menemenci bohrendes Unbehagen. Sein Instinkt sagte ihm, daß Nicole Wüllenrath nicht freiwillig von der Bildfläche verschwunden war. Wenn der Mörder Jens Lubold hieß, war Marmann womöglich das nächste Opfer.
    Was war dann Marmanns Schwester?
    »Lassen Sie Ihre sieben Fälle liegen«, sagte Menemenci. »Erstens, wir brauchen alle verfügbaren Informationen über Jens Lubold.«
    »Der Ex‐Offizier, der am Golf gefallen ist?«
    »Ich glaube nicht, daß er gefallen ist. Es spricht einiges dafür, daß er Üsker und Solwegyn auf dem Gewissen hat.«
    »Oh. Danke, daß Sie mich Einblick nehmen lassen.«
    »Morgen hätten Sieʹs gewußt«, sagte Menemenci sarkastisch. »Lubold dürfte in Köln sein. Wir brauchen vor allem Fotos. Zweitens, Marmanns Schwester. Setzen Sie eine Fahndung in Gang. Wenn sie nicht schon tot ist, schwebt sie wahrscheinlich in Lebensgefahr.«
    Nein, sie ist nicht tot, dachte Menemenci. Wenn sie tot wäre, wüß‐
    ten wir es schon. Sie dient dazu, Marmann herzulocken. Verdammt, warum sind wir nicht früher auf sie gestoßen?
    »Drittens«, sagte er, »beantragen wir Haftbefehl gegen Vera Gemini.«
    Er überlegte.
    »Das als erstes«, fügte er grimmig hinzu.

9.18 Uhr. DeTechtei
    Vera hatte soeben festgestellt, daß ihr die Kaffeefilter auszugehen drohten, als Bathge hereinkam.
    Vor genau einer Woche war er durch dieselbe Türe getreten. Damals hatte sie ihn nicht kommen hören. Sie war mit einem Spiegel und ihrem Gesicht befaßt gewesen. Beim ersten Wort von ihm hatte sie aufgesehen und einen mittelgroßen Mann mit kastanienbraunen Haaren und gestutztem Bart erblickt. Gutaussehend, aber weit davon entfernt, sie zu beeindrucken. Jetzt sah sie einen anderen Mann, in dessen Augen andere Lichter tanzten und aus dessen Zügen sie andere Geschichten las.
    War eine Woche vergangen? Ein Jahr?
    »Du siehst gut aus«, sagte sie.
    Er stutzte. Dann lachte er. Sie trat auf ihn zu, und Bathge drückte sie an sich. Diesmal hatte sie kein Problem damit, ihn zu küssen. Die DeTechtei war nicht die Insel der Kerzen, aber wenigstens so etwas wie ihre Spiegelung.
    »Nimm dir einen Kaffee.«
    Sie lehnte sich gegen die Wand und betrachtete ihn. Lächelnd sah sie zu, wie er den Deckel der Kanne lockerte, zwei Becher halbvoll goß und mit Milch

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