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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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recherchieren und Indizien zusammentragen und Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Es war langweilig und öde, aber lukrativ.
    Und es lenkte eine Weile ab.
    Der Abend war drückend, die Stadt wie ein abkühlender Backofen. Sie lief nach Hause und riß sämtliche Fenster auf, aber was hereindrang, war eher eine schleichende Krankheit als frische Luft.
    Sie ging unter die Dusche, ließ eiskaltes Wasser über ihren Körper laufen und atmete heftig ein und aus. Sie hätte stundenlang unter dem brausenden Strahl stehenbleiben können. Es gab so vieles abzuwaschen.
    Allein.
    Was für ein Unterschied. Anders als einsam sein. Ein solcher Luxus, das Vorliebnehmen mit der eigenen Gesellschaft, wenn man es auch anders haben konnte. Die Pause vor dem nächsten Akt, die Augen reiben, den Kopf wegdrehen voller Vorfreude, wieder hinzusehen.
    War es so? Freute sie sich?
    Wende dein Glück, bevor es ein anderer tut. Auch ein Standpunkt.
    Sie konnte die Beziehung zu Bathge ebensoschnell abbrechen, wie sie begonnen hatte. War man nicht zutiefst unglücklich, lebte es sich auch ohne Glück ganz gut. Auf alle Fälle machte es weniger Probleme.
    Als sie tropfnaß ins Wohnzimmer ging, dachte sie an die Nachkriegssiedlung, in der Marmanns Eltern wohnten. Wenn man das Schöne nicht mehr zuließ aus Angst, es ein weiteres Mal zu verlieren, was blieb? Das Häßliche. Die Nerven des Genusses und des Schmerzes waren dieselben. Tötete man die einen, versagten auch die anderen den Dienst.
    Machte das Sinn?
    Natürlich mochte es legitim sein, nicht mehr zu lieben, um die Wunde nicht zu spüren, wenn die Liebe entrissen wurde. Aber dann führte man halt ein Leben ohne Liebe, ohne das Schöne und Lustvolle, das Angenehme und Beglückende. Man verlor, was man zu schützen gedachte. Man versicherte sich gegen Diebstahl, indem man sein Eigentum fortgab. Um glücklich zu werden, vermied man, glücklich zu werden.
    Unsinnig. Paradox.
    Vera schaltete den Fernseher ein und überlegte, ob sie ebenfalls hinter einer Nachkriegsfassade lebte.
    Du kannst ihn aufgeben, dachte sie. Am besten, du gibst den ganzen Fall ab. Aber was wäre damit gewonnen, was du nicht um so schmerzlicher verloren hättest?
    Plötzlich spürte sie eine Welle der Zuneigung und Wärme für ihn.
    Es war gut, daß er nicht hier war. Um so mehr wurde ihr bewußt, daß sie sich tatsächlich auf ihn freute. Bathge glänzte durch Abwesenheit, aber die Formulierung bekam auf einmal einen anderen Sinn.
    Vera streckte sich auf dem Sofa aus und suchte einen Fernsehkanal, dem man folgen konnte.
    Nach kurzer Zeit vernahm sie das Sirren des Handys. Sie griff danach, schaltete den Fernsehapparat per Fernbedienung leiser und ging ran.
    »Wie geht es dir?« fragte er.
    Sie lächelte, zog die Beine an und rollte sich zusammen.
    »Gut. Was machst du?«
    »Ich habe in halb Deutschland rumtelefoniert«, sagte er. Seine Stimme war voller Optimismus. »Einer der Leute, die mit Lubold zu tun hatten, lebt tatsächlich wieder in München. In Gauting. Er freute sich von mir zu hören, aber er hatte wenig Zeit.«
    »Das klingt doch gut.«

    »Naja, er könnte schon was wissen. Ich fragte ihn, ob er Lubold tot gesehen habe. Er meinte, die ganze Meldung sei ein Schwindel gewesen.«
    »Was?«
    »Mehr hat er nicht gesagt. Irgendwas von einem Schwindel, der damals gelaufen sein muß. Keine Ahnung, was er damit meint. Am Telefon mochte er nicht darüber reden.«
    »Klingt merkwürdig«, sagte Vera.
    »Abwarten. Jedenfalls, ich fahre hin.«
    Sie stutzte.
    »Nach München?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Morgen. Morgen früh.«
    »Oh.« Enttäuschung stieg in ihr hoch. »Wie lange wirst du fort sein?«
    »Nicht lange. Wir sind für morgen abend verabredet, und Dienstag muß er schon wieder verreisen. Er vertritt irgendeinen Elektrokonzern. Ich bin übermorgen wieder da.«
    »Gut.«
    Bathge machte eine Pause.
    »Ich freue mich darauf«, sagte er sanft. »Ich freue mich auf dich.
    Eben war ich mir eine Weile nicht sicher, aber jetzt...«
    Sie mußte lachen.
    »Ging mir genauso.«
    »Siehst du! Ich glaube, so muß das sein.«
    Übermorgen. Die Enttäuschung wandelte sich in Vorfreude.
    »Weißt du schon, wann du fährst?«
    »Früh. Zwischen neun und zehn Uhr. Bist du in der DeTechtei?«
    »Um die Zeit? Klar!«
    »Ich springe kurz hoch, bevor ich Gas gebe.«
    »Okay.«
    »Schlaf gut. Ich versuche dir einen Kuß durchs Telefon zu schicken, aber sei nicht böse, wenn er in der Spiralschnur hängenbleibt.«
    »Ich habe keine.

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