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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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stehen.
    »Was?« murmelte sie.
    »Ich bin weg. Danke, daß ich da hinten ... äh ...«
    Sie winkte ab. Er lächelte verlegen, legte die Hand an die Mütze und verließ die DeTechtei.
    Vera legte die Akten zur Seite, auf die sie die ganze Zeit über gestarrt hatte, und versuchte den Faden des Gedankens wieder aufzunehmen.
    Was wäre geschehen?
    Lubold hätte die Situation abbiegen können. Sie wäre ihm nicht einmal böse gewesen. Mit einem Nein konnte sie wunderbar leben.
    Warum hatte er es geschehen lassen? Auch so hätte er alles erfahren, was er wissen wollte. Nach seinem verheerenden Besuch bei Solwegyn hatte er Vera schon längst nicht mehr gebraucht.
    Oder doch?
    Was, wenn er alleine nicht fertig wurde mit dem Lubold, der Menschen folterte und hinrichtete?
    Vera dachte an das, was Halm ihr über Lubold erzählt hatte. Wenn die Seele ein Universum war, das man bereisen konnte, wie sah sein Universum aus?
    Sie schloß die Augen und versuchte einzutauchen.

17.22 Uhr. Flughafen Köln/Bonn
    Marmann verließ den Sicherheitsbereich und blieb unschlüssig in der Ankunftshalle stehen. Seine Begleiter hielten Abstand. Normalerweise arbeiteten sie als Bodyguards für einen Geschäftsfreund.
    Weil der Geschäftsfreund tatsächlich auch ein Freund war, hatte er sie Marmann geliehen, ohne Fragen zu stellen, und die beiden fragten auch nicht. Sie wurden bezahlt. Sie wußten, daß ihre Aufgabe darin bestand, Marmann und eine Frau, die seine Schwester war, zu schützen und den Mann, den Marmann treffen wollte, möglichst auszuschalten.
    Verstohlen sah er sich um. Das letzte Mal hatte er Lubold in der Wüste gesehen. Vor acht Jahren. Einen Mann mit gestutztem Vollbart und kurzen braunen Haaren.
    War er hier?
    Lubold konnte überall sein. Er konnte so aussehen wie damals oder völlig anders.
    Das Handy klingelte in seiner Jackentasche.
    Er griff danach und merkte, wie seine Finger zitterten, als er es aufklappte.
    »Hattest du einen angenehmen Flug?«
    »Jens! Verdammt!« Marmann versuchte, seine Stimme unter Kon trolle zu halten. »Wenn du ihr etwas angetan hast, bringe ich dich eigenhändig um.«
    »Aber Andre!« Lubold klang amüsiert. »Was soll denn das Kriegsgeschrei? Wir sind doch keine Barbaren.«
    »Ich will mit Nicole sprechen! Sofort!«
    »Du wirst mit ihr sprechen. Wenn ich es dir erlaube.«
    Marmann machte ein paar rasche Schritte, blieb stehen und sog die Luft ein.
    »Bitte«, sagte er leise. »Nicole trägt keine Schuld.«
    »Ich weiß, mein Freund. Ich weiß. Es sind immer die Unschuldigen, die es am härtesten trifft.«

    Marmann schluckte. Sein Mund war so trocken wie damals, als der heiße kuwaitische Wind sie alle ausgedörrt hatte. Noch Jahre später hatte er geglaubt, morgens den Sand zwischen den Zähnen knirschen zu hören, wenn er aufwachte, und daß neben ihm ein Mensch in Kampfmontur läge, und daß der Tag den Sturm auf Kuwait City mit sich bringen würde und die Ungewißheit, ob sie die Begegnung mit der republikanischen Garde überleben würden.
    Dann hatte er gesehen, daß es eine Frau war an seiner Seite. Seine Frau. Daß er nicht in der Wüste lag, sondern in seinem Bett in Paris.
    Daß ihm nicht die Garde bevorstand, sondern Termine mit Geschäftspartnern, Interessenten und Banken.
    Einen Moment lang war ihm all das so fremd gewesen, daß er nicht wußte, was ihn mehr ängstigte. Das neu erkaufte Glück oder die Vergangenheit. Die Erinnerung an die Hölle oder das Gefühl, zurückzuwollen in die sengende Glut, um das Kapitel endgültig abschließen zu können.
    Sie alle hatten nicht abschließen können. Man beendete Kriege, aber man schloß nicht mit ihnen ab.
    Er war aufgestanden, ins Bad gegangen und hatte soviel Wasser getrunken, bis ihm fast der Bauch platzte, aber es reichte nie, um seinen Durst zu stillen. Immerzu hatte er geahnt, daß ihn die Vergangenheit einholen würde. Er hatte es befürchtet und herbeigesehnt, und die Furcht und das Sehnen waren in gleichem Maße gewachsen.
    Aber so war es nicht fair!
    Nicole...
    »In Ordnung«, sagte er heiser. »Was soll ich tun?«
    »Hast du den Schlüssel mitgebracht, den ich dir geschickt habe?«
    »Ja. Er ist in meiner Tasche.«
    »Gut. Hol ihn raus und schau ihn dir gut an.«
    Marmann stellte den Koffer zwischen seine Beine, um eine Hand frei zu haben, und gehorchte.
    »Auf dem Schlüssel steht eine Nummer«, sagte Lubold. »Er gehört zu einem Schließfach. Du bist nicht weit davon entfernt. Geh rüber.«
    Marmann warf einen kurzen Blick zu

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