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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wer soll das nun wieder gesagt haben?« stöhnte Menemenci.
    »Wir«, erwiderte Krantz trocken.
    »Das ist doch Unsinn!«
    »Üsker hat vor zwei Jahren irgendwelche antikurdischen Pamphlete unterzeichnet. Ich vermute, jemand aus der Redaktion spielt gerade Sherlock Holmes.«
    »Die haben nichts!« sagte Menemenci wütend. »Wenn die nicht wissen, was sie auf die Titelseite bringen sollen, dann schustern sie sich was zusammen! Als nächstes haben wir die Kurden an der Backe. Ich kannʹs nicht glauben. Diese Schmierfinken!«
    »Tja. Bad news are good news. Sie lieben Üsker.«
    »Und sonst?«
    Es war zum Kotzen.
    »Wir könnten etwas Hilfe gebrauchen«, sagte Krantz in nörgeligem Tonfall. »Ich habe Üskers halben Hausstand hier.«
    »Quengeln Sie nicht. Ich hab die andere Hälfte.«
    »Schon klar. Wir kramen alles durch, aber ich hab noch sieben weitere Fälle laufen. Offen gesagt, wir sind ein bißchen unterbesetzt.«
    »Mhm. Na gut. Ich sehe, was sich machen läßt.«
    Menemenci legte auf und überlegte, was als nächstes passieren würde. Irgend etwas mußte es geben, um den Tag vollends zu ruinieren.
    Die Tür ging auf, jemand steckte den Kopf herein. Ein neues Gesicht.
    »Sie sind bestimmt Herr Menemenci.«
    »Bingo.«
    »Haben Sie Hunger? Ich geh für alle was holen.«
    Menemenci überlegte. Er war tatsächlich hungrig. Worauf hatte er Appetit?
    »Vielleicht ein Döner Kebab?« fragte der andere mit strahlendem Gesicht. »Weil Sie doch ...«
    Menemenci starrte ihn an.
    Der Tag war vollends ruiniert.

18.10 Uhr. Vera
    Ganz allmählich wurde es erträglicher. Immer noch brannte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, aber ein paar Böen fegten durch die Straßen und kündigten das längst fällige Gewitter an.
    Im Grunde war es zu heiß zum Joggen. Ausgenommen, man hieß
    Vera Gemini.
    Sie lief federnd unter den Baumspalieren hindurch, die den Weg zum Haus am See säumten. Von Zeit zu Zeit überholte sie andere Jogger, die verrückt genug waren, gegen zweiunddreißig Grad im Schatten und achtzig Prozent Luftfeuchtigkeit anzutreten. Die Qual stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Vera hingegen fühlte sich, als liefe sie auf einem Teppich aus Energie, die sie, wann immer die Sohlen der Nikes auftrafen, wieder hochkatapultierte. Sie war vollkommen entspannt. Ihr Körper war durchtrainiert genug, Strapazen zu ertragen, an denen starke, ausdauernde Männer scheiterten. In den letzten drei Jahren hatte es keinen Tag gegeben, an dem sie nicht irgendeine Form von Sport betrieben hatte.
    Die winzigen Ohrstöpsel jagten ihr Bowie ins Ohr. Space Boy, hundertvierzig beats per minute.
    Auftreffen, abfedern, hochschnellen.
    Ein fiependes Geräusch mischte sich in die Musik. Ohne im Laufen innezuhalten, drückte sie einen Knopf an dem ovalen Gehäuse, das sie am Gürtel trug.
    Die Musik endete abrupt.
    »Was treibst du gerade?« fragte Roths Stimme.
    Vera lächelte. Der Sony‐Transmitter arbeitete gut. Sie hatte sich für das kleinste und beste der Systeme entschieden. Der DAT‐Recorder an ihrer Hüfte war mit einem Telefon und einem digitalen Aufnahmegerät gekoppelt. Die Ohrstöpsel übertrugen jetzt die Stimme Roths. Von ihrem linken Ohr bog sich, mit einer federleichten Klemme befestigt, ein dünnes Rohr bis kurz vor ihren Mund. Ein Hochfrequenzmikro.

    »Ich laufe.«
    »Was? Bist du wahnsinnig? Bei der Hitze?«
    »Ich versuche in Form zu bleiben«, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig wie ihr Puls. Kein Keuchen.
    »Du könntest für die nächsten zehn Jahre aufhören, dich zu bewegen, ohne aus der Form zu kommen«, bemerkte Roth. »Ich wäre heilfroh, wenn ich zehn Prozent deiner Kondition hätte.«
    »Selber schuld. Warum läufst du nicht mit?«
    »Weil du mir davonläufst.«
    Das traf zu. Ebenso wie der Umstand, daß sie ohnehin die Einsamkeit bevorzugte, wenn sie ihre Runden zog. Es half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen. Laufen war Konzentration, Verinnerlichung, Reinigung.
    Und Laufen war Unabhängigkeit.
    Von allem und jedem.
    Sie brauchte niemanden, dem sie hinterher‐ oder davonlief. Der sie zwang, ihr Tempo nach ihm auszurichten. Vera hatte beschlossen, daß nur ein Mensch wichtig genug war, um mit ihm Schritt zu halten.
    Sie selber.
    Weit vor ihr tauchte das Haus am See auf. Im kräuseligen Wasser spiegelte sich die Terrasse, als sei sie in Millionen Splitter zerborsten.
    »Hast du was rausgefunden?« fragte Vera.
    »Ja.«
    »Und?«
    »Du wirst enttäuscht sein. Marmann ist nach neunzig nicht mehr in Erscheinung

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