Die dunkle Seite
Dann ging sein Lachen in keuchendes Husten über. Vera wartete geduldig.
»Natürlich kenne ich ZERO«, sagte er endlich. Sein Atem kam schwer und rasselnd. »Sie waren die besten.«
»Waren?«
»Fouk hat das Interesse verloren. Er ist... wie sagt man? Stinkend reich geworden. Stinkend reich! So viele schöne Krisen. Jetzt hat er angefangen, Bücher zu schreiben und ist ein ehrbarer Mann in Marokko, der Expeditionen organisiert. Sie verstehen? Fouk läßt ZERO schlafen.«
»Schlafen?«
»ZERO schläft. Fouk ist ZERO, und er hat gerade keine Lust auf Krieg. Vielleicht macht er wieder was, wenn er sein Geld verspielt hat. Ich dachte, ZERO wird aufwachen für Zaire, ein schöner Konflikt. Aber jetzt heißen sie seit zwei Jahren >Kongo<, und ich glaube nicht, daß Fouk dabei war. Er wühlt nur im Geld und lacht den ganzen Tag. Den ganzen Tag!«
»General, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir so bereitwillig helfen wollen ...«
»Ich kann viel erzählen. Niemand fragt mich mehr.«
»Ich schon. Mich würde zum Beispiel interessieren, wer dieser Fouk überhaupt ist.«
Eine Weile herrschte Schweigen in der Leitung.
»Fouk war mein Schüler«, sagte der General langsam. »Ich habe ihn zur Legion geholt vor vielen Jahren. Sehr guter Mann. Gute Männer kann man nicht anketten, Mademoiselle.«
»Kann man die Legion denn so einfach verlassen?«
»Seine zweiten fünf Jahre waren um. Was sollte ich tun? Zwecklos, zu kämpfen mit jemandem, der nicht will. Ich habe ihm gesagt, wenn du gehen mußt, dann verschwinde. Hat nicht lange gedauert und ich hörte, daß er ein paar Männer versammelt hat, um eine Organisation zu ... wie sagt man noch? Begründen?«
»Gründen.«
»Gründen! Mais oui. Viele aus der Legion sind zu Fouk gegangen. ZERO hat besser bezahlt.«
»Haben Sie noch Kontakt zu Fouk?«
»Oh ja! Wir telefonieren, er ist wie ein Sohn. Aber ich glaube, ich bin nicht wie ein Vater in seinen Augen. Fouk liebt nur Fouk. Manchmal kommt er mich besuchen. Wissen Sie, es ist schwer für mich zu reisen ohne...«
Er stockte.
»Ohne Geld?« ergänzte Vera vorsichtig.
»Ohne Beine«, sagte er.
Sie schwieg.
»Sie müssen nicht sagen, daß es Ihnen leid tut«, fuhr er fort. »Ich war dumm. Ein dummer, alter Knochen, der dreiundachtzig in Beirut in eine Kneipe ging, um zu pinkeln. War eine Bombe auf der Toilette. Ich flog bis auf die Straße, der größte Teil von mir jedenfalls. Jetzt sitze ich in einem Stuhl. Naja. Cʹest la vie. Darf ich Sie auch etwas fragen, Mademoiselle?«
»Natürlich.«
»Was wollen Sie von Fouk?«
Sie zögerte. »Ich bin nicht sicher, ob ich etwas von ihm will. Ich suche jemanden, der vor neun Jahren die Legion verließ, um sich ZERO anzuschließen.«
»Haben Sie seinen Namen?«
»Marmann. Andreas Marmann.«
Wieder machte der General eine lange Pause. Dann räusperte er sich trocken.
»Die Legion ist groß«, sagte er. »Ich kann mich nicht an jeden einzelnen erinnern. So viele, die liegengeblieben sind. Nach einigen Tagen sahen immer alle gleich aus. Marmann ... ich müßte überlegen ... nein. Viele tausend Männer in der Legion. Nein, ich kann mich nicht erinnern.«
»Schwarze Haare, stechender Blick. Sehr muskulös.«
»Nein. Ich müßte überlegen ... Vielleicht kann Fouk weiterhelfen, er ist jünger. Ich bin ein alter Mann.«
»Wären Sie so lieb, mir Fouks Adresse zu geben und seine Telefonnummer?«
»Ja, gerne. Geben Sie mir Ihre, ich rufe Sie zurück. Ich muß suchen.«
»Das ist sehr freundlich.«
Er kicherte. »Sie wundern sich, Mademoiselle ? Ein General der Legion, der freundlich ist. Wir sind doch allesamt Mörder, nʹest‐ce pas?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß zuwenig über die Legion.«
»Wenn die Freundlichkeit an den Falschen gerät, gebiert sie die Verzweiflung. Baudelaire. Viele von uns sind an die Falschen geraten. Verstehen Sie? Die Legion ist nicht böse. Wir sind eine Familie für Menschen, denen ihre Freundlichkeit nichts eingebracht hat au ßer Not und Verzweiflung. Ich will, daß Sie das wissen.«
»Ich werde es mir merken«, sagte Vera. »Ganz bestimmt.«
»Kommen Sie mich besuchen? Ich möchte Ihr Gesicht sehen. Sind Sie hübsch?«
Nein, wollte sie sagen, ich habe eine Bulldoggenfresse. Du wirst mich nicht mögen, alter Mann.
Statt dessen sagte sie: »Ja. Einigermaßen.«
»Kommen Sie mich besuchen. Ich rufe Sie zurück.«
Sie gab ihm die Büronummer und vertiefte sich wieder in die anderen Fälle. Zehn Minuten später rief er
Weitere Kostenlose Bücher