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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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stellt keine Fragen, er macht seinen Job. Ich habe Ihnen ZERO unter die Nase gehalten, das ist weit mehr, als ich vorhatte. Warum tun Sie nicht einfach so, als gäbe es mich gar nicht, laufen los und suchen?«

    Vera blieb stehen und ließ ihren Blick über die Silhouette der Domtürme wandern. Fesselballons hingen am Himmel wie riesenhafte umgedrehte Wassertropfen. Von Zeit zu Zeit konnte sie das Fauchen der Feuerstöße hören.
    Es sah aus, als sei die Welt zum Stillstand gekommen.
    Bilder, die sich einbrennen. Das erste, was du siehst, wenn du nach dem plötzlichen Schmerz und dem Schock die Augen öffnest.
    Unwichtig und banal, irgend etwas. Dennoch, du starrst darauf und wirst den Anblick nie vergessen, weil der Moment unmittelbar davor alles verändert hat.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Ich mache meinen Job. Sie werden Ihren Marmann bekommen.«
    »Gut.«
    »Im übrigen, sollten Sie es noch einmal wagen, mich mit einem Hund zu vergleichen, wird der Hund Sie beißen. Dahin, woʹs am meisten weh tut. Habe ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt?«
    Bathge erwiderte ruhig ihren Blick.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Es tut mir leid.
    Wie oft schon hast du das gehört. Weinerlich, pathetisch, salbungsvoll, in allen nur erdenklichen Variationen. Eine Folter aus vier Worten.
    Es tut mir leid.
    Aber diesmal klang es anders.
    Aufrichtig.
    Sie betrachtete Bathge. Kein Pathos. Kein falsches Bereuen. Er schien es ernst zu meinen.
    Hatte sie überreagiert?
    Ach, wissen Sie, die blöde Kuh hat überreagiert, Sie kennen ja die Weiber, und da habe ich ...
    Verdammt, es ist doch gar nichts gewesen! Vera hat völlig überreagiert, sie...

    Schatz, reg dich nicht auf, du hast ein bißchen überreagiert...
    Sie ist hysterisch, sie hat...
    Vera nahm ihren Schlenderschritt wieder auf. Bathge schloß sich ihr an.
    »Und wie bleiben wir in Kontakt?« fragte sie.
    »Ich rufe Sie an«, erwiderte er. »Sind Sie ständig erreichbar?«
    »Im allgemeinen ja.« Sie zog ein flaches Etui aus Sterlingsilber aus der Tasche des Blazers und gab ihm eine Karte. »Die oberste Nummer haben Sie schon, mein Büro. Die beiden anderen sind Handynummern. Unter einer bekommen Sie mich immer, wenn ich nicht gerade irgendwo hinterm Vorhang stehe und glotze.«
    »So was tun Sie?« grinste er.
    »Um Ihnen alle Illusionen zu nehmen – ja. Mein Vorhang ist der Monitor. Meine Augen sind Kameras. Aber es läuft auf dasselbe hinaus.« Plötzlich, obwohl sie immer noch ärgerlich war, mußte auch Vera grinsen. »Der Hund macht seinen Job.«
    Bathge nickte. »Ja, irgendwas muß man tun, um nicht verrückt zu werden.« Er sah sie forschend an. »Waren Sie eigentlich jemals weg?
    Ich meine, so richtig. Auf einem anderen Planeten.«
    »Hm.« Der plötzliche Themensprung überraschte sie. »Komische Idee.«
    »Nein, gar nicht. Sie sitzen da und betrachten die Erde aus einer gewaltigen Distanz. Ein Lichtpünktchen. Aber Sie spüren, was Sie mit diesem Punkt verbindet, ganz gleich, wo Sie sich aufhalten. Es ist die Erde, Ihre Erde, die Sie sehen. Und da ist jemand, der sieht auch Sie. Er sieht zu Ihnen hin und paßt ein bißchen auf.«
    Vera schwieg.
    »Aber dann«, fuhr Bathge fort, »eines Tages, suchen Sie den vertrauten Punkt, und er ist einer unter Milliarden geworden. Die Erde ist verschwunden. Je mehr Sie nach ihr suchen, desto endgültiger wird die Gewißheit, daß die Verbindung abgerissen ist und daß auch Sie nicht mehr gesehen werden. Diese letzte Erkenntnis ist die schlimmste. Daß die anderen Sie nicht mehr sehen können.«

    »Und warum nicht?«
    »Weil Sie auf der dunklen Seite sind.«
    Vera stieß die Luft durch die Nase. »Wozu erzählen Sie mir das alles?«
    »Sie wollten, daß ich Ihnen mehr erzähle.«
    »Ich wollte mehr Informationen.«
    »Das ist eine Information.«
    Sie überlegte.
    »Und? Wie ist es auf der dunklen Seite?«
    »Das frage ich Sie.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Doch, das wissen Sie genau. Wir alle kennen die dunkle Seite.« Er lächelte. »Meine Geheimnisse gegen Ihre.«
    »Sie können Ihre Geheimnisse behalten.«
    Bathge hüllte sich in Rauch.

13.09 Uhr. DeTechtei
    Vera fuhr in ihr Büro und setzte sich vor den leeren Schreibtisch.
    Als sie sich darüberbeugte, spiegelte sie sich einen Augenblick lang in der schwarzglänzenden Platte.
    Sie legte die rechte Hand auf eine bestimmte Stelle und wartete.
    Im nächsten Moment leuchteten Bedienungssensoren in der Platte auf. Mit leisem Summen wuchs ein Bildschirm

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