Die dunkle Seite
rechts und links rücken näher, schließen sich zur Ecke. Du versuchst hineinzukriechen in den rechten Winkel. Darin zu verschwinden. So überwältigend ist deine Panik, daß du wie ein Kind die Augen schließt in der Hoffnung, nicht mehr gesehen zu werden.
Aber das Ungeheuer, das deine Angst frißt und sich davon nährt, sieht dich.
Es erhebt sich, verdunkelt dich, kommt über dich. Es fährt in dich hinein und macht sich breit, brennt dich mit seinem feurigen Atem in diese Ecke, obwohl du allen Platz des Universums für dich hättest, verwandelt dich, macht dich zu seinesgleichen.
Niemand, der dir hilft.
Niemand, der dich sieht.
Diese letzte Erkenntnis ist die schlimmste. Daß die anderen Sie nicht mehr sehen können.
Ganz allmählich, ohne es zu merken, wirst du zu dem, was du am meisten haßt.
Dann sind Sie auf der dunklen Seite.
Dann bist du auf der dunklen Seite.
Donnerstag, 26. August
8.22 Uhr. Präsidium
Sid Sonnenfeld aus der Datenerfassung betrat Krantzʹ Büro mit einem Pappkarton voller Ausdrucke und suchte nach einem Platz, um ihn abzustellen.
»Hierhin«, hörte er Krantz sagen.
Überrascht schaute er sich um. In dem Büro sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Der Besitzer der Stimme war nirgendwo zu sehen. Überall lag Papier verteilt, hingen Fotos, Schriftstücke und Artikel des täglichen Gebrauchs an Metaplanwänden, stand irgend etwas im Weg. Wo die vollgepflasterten Flächen Lücken aufwiesen, hatte vermutlich das Zeug gehangen, das Krantz ihm zur Überprüfung geschickt hatte.
»Wohin, meinen Sie?« fragte Sonnenfeld schüchtern.
»Was? Na, direkt vor Ihre Füße. Da wo Platz ist! Herrgott noch mal!«
Hinter dem Schreibtisch tauchte der spärlich bewachsene Schädel von Krantz auf. Die Augen hinter der randlosen Brille blitzen ihn böse an.
»Es... ahm ... ist nirgendwo mehr Platz«, gestattete sich Sonnenfeld zu bemerken.
Krantz kam vollständig zum Vorschein, umrundete den Schreibtisch und nahm ihm den Karton aus der Hand. Sonnenfeld sah, daß sich auf der Hose seines Gegenübers dunkle Flecken ausbreiteten.
Er blickte verlegen zur Seite. Krantz stellte den Karton auf den einzigen freien Stuhl und begann darin herumzukramen.
»Mir ist der verdammte Kaffee über die Beine gelaufen!« sagte er zornig. »Sieben Fälle! Eine Hektik jagt die andere. Beim Telefonieren umgefallen, weil man vor lauter Arbeit nicht mal mehr in Ruhe Kaffee trinken kann, so eine Scheiße.«
Daher die Flecken, registrierte Sonnenfeld erleichtert.
»Wenn man ihn mit Kakao mischt, schmeckt er besser und ist natürlich teurer«, fügte Krantz hinzu. »Du verbrühst dich für zwei Mark fünfzig und hast nichts davon gehabt.« Er hielt eine Akte hoch und warf sie ungeduldig auf den Schreibtisch. »Du lieber Himmel!
Was um Gottes willen ist denn das alles?«
Sonnenfeld räusperte sich.
»Sie wollten Informationen über einen Haufen Leute haben...« begann er.
»Sieben Fälle!«
»Ich weiß. Das ist... ahm, eine ganze Menge, würde ich sagen.« Er sah sich um. »Müßte aber schon einiges dabei sein, das Ihnen weiterhilft. Der Raubüberfall im Stadtgarten, da haben wir drei Personalakten, sieht ganz gut aus. Der Fahrer des roten Alpha ist, glaube ich, identifiziert ...«
»Alpha?«
»Ahm, also die Sache mit dem Unfall an der Ecke Luxemburger Straße, der Alpha, ja. Dann sind da ...«
»Habt ihr was über Üsker.«
Sonnenfeld schüttelte den Kopf. »Nicht viel. Was wir bis jetzt gefunden haben, taugt nichts. Bekannte, Nutten, der Klempner, Mitglieder der Liga Ferenc Bilac, alle mit wasserdichtem Alibi.«
»War mir klar. Von denen hatte keiner einen Grund.«
Warum haben wirʹs dann nachprüfen müssen, du Arschloch, dachte Sonnenfeld. Laut sagte er: »Es stehen noch Jens Lubold, Andreas Marmann und die anderen Namen aus, die in dem Brief gestanden haben. Der Brief, in dem es um die Fremdenlegion geht.
Kein Absender, das heißt, da ist unten ein Stück weggerissen.«
»Ja, schon klar. Viel habt ihr wirklich nicht«, seufzte Krantz und lehnte sich gegen die Schreibtischkante.
Sonnenfeld zuckte die Achseln.
»Tut mir leid. Dafür weiß ich, wo Aubagne liegt und was das Denkmal auf dem Foto darstellt.«
»Der Klotz?«
»Es ist kein Klotz«, sagte Sonnenfeld stolz, weil er diese Sache ganz alleine herausgefunden hatte. »Das sind Fremdenlegionäre.
Überlebensgroß. Sie flankieren eine ... ahm, Weltkugel, wohl wegen Frankreichs Kolonialpolitik. Wenn Sie genau hinsehen ...«
»Ich
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