Die dunkle Treppe
grau-weiß gestreiften Pullover zu nehmen. Oder Bronny die Jungfräulichkeit.
10
Oh verdammt, diese Finsternis. Als ob sie auf mir liegen würde. Ich schnellte hoch, als ich spürte, wie sie sich mit all ihrer Schwere auf mich senkte, holte ein paarmal tief Luft und ging ins Bad, um ein Glas Wasser zu trinken.
Als ich den Wasserhahn aufdrehte, begann es zu beben – gewaltige Erschütterungen, ohrenbetäubendes Knallen. Ich schoss vom Bad in die Diele und hoch in Fliss’ Zimmer, nur um mit ansehen zu müssen, dass sie den Sex hatte, den ich hätte haben sollen. Es war Zach, der unter ihr lag und zur Abwechslung mal nicht auf seiner Gitarre klimperte, sondern auf etwas anderem, was Fliss dazu brachte, immer wieder »Pussycatpussycat« zu schreien. Da sie mich weder hörten noch sahen, rannte ich in Cheryl-Annes Zimmer im zweiten Stock. Halbnackt und verängstigt hakten wir uns unter und schlichen auf Zehenspitzen in den ersten Stock. Dort blieben wir stehen und lauschten, was unten in der Diele geschah, aber die Geräusche waren verstummt.
Ich musste annehmen, dass ich langsam verrückt wurde. In den letzten Tagen hatte ich ziemlich viele Drogen genommen und kaum geschlafen. Meine Ernährung, meinen Tagesablauf, einfach alles hatte ich umgestellt. Vielleicht halluzinierte ich schon.
Als Petes Tür sich knarrend öffnete, zuckten Cheryl-Anne und ich zusammen und kreischten synchron auf.
»Was ist los?«, fragte er mit seiner üblichen monotonen Stimme.
»Hast du die Geräusche gehört?«, fragte ich.
»Nö«, sagte er. Dann suchte er den ersten Stock und das Erdgeschoss ab, während wir ihm zaghaft hinterherschlichen.
»Versuch’s mal mit der da«, sagte ich und zeigte auf die Tür unter der Treppe.
Er ging hoch in sein Zimmer, kam mit einer Art Werkzeugsatz zurück und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Nach ungefähr fünf Minuten – es waren keinerlei furchterregende Geräusche mehr zu hören – lächelte er uns an, hob die Brauen und öffnete die Tür.
Es war ein Einbauschrank. Ein langweiliger Einbauschrank mit alten Tapetenrollen, hoch aufgestapelten, rostigen Farbeimern, einem alten Plattenspieler und einigen Schallplatten.
»Du drehst allmählich durch«, sagte Cheryl-Anne.
Nachdem Pete das Haus für unbedenklich erklärt hatte, kochte er uns allen einen Tee und setzte sich zu uns in die Küche. Wir kicherten immer noch vor Erleichterung.
»Du musst aufhören, dieses Dreckszeug zu nehmen.«
Er hatte recht. Das Dope brachte meinen Kopf offenbar durcheinander. Er ging zurück in sein Zimmer, und wir blieben Tee trinkend in der Küche zurück.
»Was würde ich darum geben, diesen Quadrizeps zu lecken«, sagte Cheryl-Anne, kaum dass er gegangen war.
»Wirklich?«
»Er ist umwerfend «, sagte sie. »So mysteriös.«
Hmm.
***
In jener Nacht gelang es mir beinahe, die Finsternis von meinem Bett fernzuhalten. Beinahe auch, das Gefühl eines sich herabsenkenden, tonnenschweren Gewichts zu ignorieren. Zu schlafen, obwohl ich zu müde zum Schlafen war und zu traurig zum Weinen. Beinahe. Aber dann begann das Kreischen. Es fühlte sich an, als ob der Lärm direkt in meinem Kopf wäre. Ich hielt mir die Ohren zu. Ich steckte den Kopf unter das Kissen. Ich verengte die Augen zu Schlitzen und summte vor mich. Und ich versuchte an etwas Nettes zu denken: Francesco … (verdammt, das funktionierte nicht) … Schokolade (offenbar krabbelten Ameisen drin herum) … Ursula … Ah ja, das funktionierte … Papa … Ach, mein Papa, meine Ursula. Gleich morgen würde ich ihnen schreiben, wie lieb ich sie hatte.
Ich war jetzt etwas ruhiger, nahm das Kissen vom Kopf und schlich mich zum Fenster. Den alten Vorhang öffnend, lugte ich in die Dunkelheit, aber da war überhaupt nichts zu sehen. Ich entspannte mich ein wenig, und dann sprang plötzlich eine grau getigerte Katze am Fenster hoch und miaute ihr rolliges Miau: ein Furcht einflößendes Babykreischen. Ich fuhr zurück und hielt die Hand auf mein wild klopfendes Herz, bis meine Atmung sich beruhigt hatte. Es war doch bloß eine Katze. Eine kleine, graue Katze. Sie war die Ursache für das Gekreisch. Gott sei Dank!
Weil ich zu unruhig zum Schlafen war, ging ich in die Diele und öffnete den Wandschrank. Kalt war es da drin. Die Luft brachte mich zum Frösteln. Ich nahm den Plattenspieler und ein paar alte Beatles-Platten und trug sie in mein Zimmer. Wenn mein Vater sich entspannen wollte, hörte er immer Musik. Er stellte seine Stereoanlage im
Weitere Kostenlose Bücher