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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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Schuppen auf und ließ so lange und so laut klassische Musik laufen, bis es ihm besser ging. Nach dem Tod meiner Mutter hatte wochenlang Mozart über unserem Garten geschwebt.
    Ich stellte den Plattenspieler unter das Fenster und schaltete ihn an. Nachdem ich den Staub von einer der Platten gepustet hatte, setzte ich die Nadel aufs Vinyl und legte mich entspannt auf meine Matratze. Es knisterte fröhlich, und als das Lied zu Ende war, spielte ich es von vorn.
    Ich hob den Tonarm hoch und spielte es ein drittes Mal, dann ein viertes, als die Nadel plötzlich zu hüpfen begann. Nachdem die Beatles please help gesungen hatten, sprang sie zurück und wiederholte dieselbe Stelle.
    Die Nadel war ziemlich hoch gesprungen, ungefähr einen Zentimeter, und hatte dann bis zum Ende des Liedes weitergespielt. Wirklich? Pete hatte recht, ich musste unbedingt mit dem Potrauchen aufhören.

11
    Pete sehnte sich nach Weite. Die nächstbeste Erfahrung von Weite bot sich in Kensington Gardens am oberen Ende der Straße. Nach seiner Arbeit im Sportstudio ging Pete die Queensway entlang, vorbei an Whiteleys Einkaufszentrum und unzähligen Pubs und Cafés, ehe er in die parallel verlaufende Queensway Terrace einbog. Dann am Royal und dem besetzten Haus vorbei bis zum Ende der Straße. Dort überquerte er die stark befahrene Fahrbahn und betrat den Park. Fast sofort sah er Bronny, die im Schatten saß und einen Lonely Planet -Reiseführer las. Er wollte auf sie zugehen, besann sich aber eines Besseren. Sie hatte ihn ziemlich deutlich spüren lassen, was sie von ihm hielt. Stattdessen ging er an den Kricketspielern und den Sonnenbadenden, am Teich und an den Statuen vorbei in den Hyde Park.
    Das war zwar nicht die Art von Weite, die er kannte, aber es war besser als nichts. Er machte ein einigermaßen freies Rasenstück ausfindig und legte sich hin. Mit geschlossenen Augen stellte er sich vor, daheim zu sein. Er erinnerte sich daran, wie er über den schnurgeraden Eyre Highway gefahren war: 1668 Kilometer, die ganze Strecke, die sich die Straße ihren baumlosen Weg durch die Nullabor-Wüste bahnte. Er hatte auf dem Dach eines Jaguar mit offenem Verdeck gesessen, mit einem Backstein auf dem Gaspedal und den Füßen am Lenkrad. Das Land um ihn herum entsprach ganz seinem Geschmack: gelb, leer, endlos. Mit all den Bäumen und Hecken nach englischem Vorbild, die Australiens kostbare Wasserreservoirs aufbrauchten, hatte er nichts am Hut. Ihm gefielen trockene Landschaften. Er hatte seine Sonnenbrille aufgehabt und die Arme ausgestreckt, um das ganze Land zu umarmen. Er hatte es förmlich eingeatmet, sein schönes, geliebtes Australien.
    Pete atmete tief ein, als er dort auf dem englischen Rasen lag, und versuchte, die Heimat zu riechen: Eukalyptus und Staub. Er versuchte, sie zu hören: Kookaburras und Papageien. Er versuchte, sich heimisch zu fühlen und glücklich zu sein.
    »Ich möchte dich um etwas bitten.«
    Der australische Akzent war wie ein Teil seines Tagtraums. Tief und geschmeidig. Trinkbar. Er gab ein »Hm-hm« von sich und öffnete die Augen. Und sah, dass die Stimme wirklich existierte. Er setzte sich auf.
    »Hör auf, dauernd aus dem Nichts aufzutauchen.« Es war Bronny, die ihr Buch in der Hand hielt und zu ihm herabsah.
    »Hab ich das getan?«
    »Ja. An privaten Orten.«
    »Du machst Geräusche … schreist, und so. Irrst nachts herum.«
    »Willst du damit sagen, dass ich im Schlaf spreche?«
    Pete ahmte eine hohe, gequälte Stimme nach: »Ich versuche es Ich versuche es Ich versuche es …«
    »Nein! Wirklich?«
    »Warte auf mich, Ursula. Papa! Du bist so klein!«
    Im Grunde hatte Bronny seit ihrer Ankunft mit niemandem richtig gesprochen. Die Unterhaltungen hatten sich meistens um Haschisch gedreht, manchmal um Epilation. Sie sehnte sich nach einem richtigen Gespräch. Es überraschte sie, dass dieser große, schwer fassbare Mann der Mensch war, mit dem sie sprechen wollte. Sie setzte sich neben ihm ins Gras.
    »Das ist mein Albtraum.«
    »Was passiert darin?«, fragte Pete.
    »Ich versuche, nach Hause zu gehen. Aber ich laufe immer zu schnell, und irgendwie hüpfe ich auch zu hoch. Deshalb entferne ich mich immer weiter.«
    Pete lächelte sie an. Er verstand sie gut.
    »Ich vermisse Cheesles «, sagte Bronny.
    »Den Strand«, sagte Pete.
    »Straßenbahnen.«
    »Leute, die auf der Straße grüßen.«
    »Schokoladenkekse in Form von Teddybären.«
    »Ist Ursula deine Schwester?«, fragte Pete.
    »Ja, sie ist einundzwanzig. Sie

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