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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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gefiel, wie sich meine Haut nach der Arbeit anfühlte: glatt und weich vom Dampf. Und ich mochte das sichere Gefühl, in ausschließlich weibliche Ruhe gebettet zu sein. Als wäre es ein Luftpolster.
    ***
    Am Tag nach meiner Beförderung zur Angestellten der Woche verschlechterte sich die Atmosphäre im Dampfbad beträchtlich. Esther hatte mich schon immer auf dem Kieker gehabt, aber jetzt beobachtete sie jede meiner Bewegungen und gab tuschelnde Berichte an Kate weiter. Einmal nahm sogar Fäustling-Woman Blickkontakt zu mir auf. Das war noch nie geschehen. Ihre Augen waren stets gesenkt, wenn sie in ihren Raum ging, und gesenkt waren sie auch, wenn sie ihren Kundinnen eine Abreibung verpasste. Nach dem Blick folgte etwas, das ich als Knurren bezeichnen würde, und ein wissendes Nicken in Richtung Esther. Ich versuchte so gut wie möglich, einfach weiterzumachen. Ich versuchte sogar, mich mit der reichen Araberin zu unterhalten, die lieber zwei Handtücher als eines hatte.
    »Wohnen Sie hier in der Nähe?«, begann ich.
    »Nein«, entgegnete sie.
    Nach meiner Schicht entfloh ich schleunigst dem Dampfbad und nutzte die kostenlosen Einrichtungen nebenan. Das war die einzige Vergünstigung bei diesem Job, und ich nahm sie so oft wie möglich in Anspruch. Im Schwimmbad und im Sportstudio schwitzte ich alles aus, was mir das Leben als Hausbesetzerin an Ungesundem bescherte. Außerdem bekam ich auf diese Weise einen wirklich straffen Körper. Erst kürzlich war mir beim Saubermachen der Ganzkörperspiegel vor den Duschen aufgefallen, wie gut meine Beine aussahen. Wohlgeformt und muskulös, so gar nicht wie meine eigenen. Es endete damit, dass ich die Spiegel viel öfter als nötig reinigte, nur um mich davon zu überzeugen, dass diese tollen Beine wirklich meine waren.
    Ich schwamm vierzig Bahnen im Pool, duschte und zog mich um. Beim Hinausgehen kam ich am Sportstudiobereich vorbei, wo Pete mit Bankdrücken beschäftigt war. Er trug Shorts und ein Trikothemd, und seine Oberarme und Schultern waren über und über mit Tattoos bedeckt. Als er mich sah, verzog er keine Miene, sondern fuhr ungerührt fort, seine Gewichte zu stemmen. Er machte mir Angst.
    Als ich Nathan sah, lächelte ich ihn an, aber weder lächelte er zurück, noch genehmigte er seiner kostbaren Angestellten der Woche ein High-Five. Stattdessen winkte er mich mit spitzem Zeigefinger zu sich ins Obergeschoss, wo bereits Kate und Esther saßen. Er sagte mir, dass ich mich setzen solle, und begann, mich mit Fragen zu bombardieren.
    Um wie viel Uhr ich das Dampfbad verlassen hätte? Wie lange ich geschwommen sei? Ob ich mich daran erinnern könne, einer reichen Araberin ein Handtuch gegeben zu haben? Ob ich bemerkt hätte, dass sie eine rote Handtasche bei sich trüge? Ein braunes Lederportemonnaie? Dreihundert Pfund in bar sowie drei Kreditkarten? Welches Schließfach meines sei?
    In diesem Moment kam Pete in den Raum und nahm neben Nathan Platz. Er habe gerade von dem Vorfall gehört, sagte er, und wolle bei der Befragung dabei sein. Kate und Esther hielten die Köpfe gesenkt, als ich Nathan sagte, dass ich mich weder an die Handtasche erinnere noch ein Schließfach habe. Sie schafften es fast, ihr Grinsen zu unterdrücken, als Nathan sagte, er würde eine der Angestellten bitten, das Schließfach mit der Nummer 78 zu durchsuchen, weil Kate Stein und Bein geschworen habe, mich dort am frühen Nachmittag etwas hineinlegen gesehen zu haben.
    Schreckensstarr stand ich vor dem fraglichen Schließfach. Kate und Esther sahen zu, wie eine von Nathans Handlangerinnen die Tür öffnete.
    Es war leer.
    Kate und Esther warfen sich einen irritierten Blick zu. Ich seufzte vor Erleichterung laut auf, dann sah ich meine Anklägerinnen kopfschüttelnd an: Warum hatten sie versucht, mich hereinzulegen? Was um alles in der Welt hatte ich ihnen getan?
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Pete, als ich das Dampfbad verließ und durch den Haupteingang ging.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich. Es ging mir zwar überhaupt nicht gut, aber mit ihm reden wollte ich auch nicht.
    Auf dem Heimweg spürte ich, wie sich das ganze Gewicht des Alleinseins auf mich herabsenkte. Wenn ich jemals eines Verbrechens angeklagt wäre, wer würde sich dann für mich verbürgen?
    ***
    Als ich Francesco vor dem Haus stehen sah, krümmte ich mich vor Verlegenheit. Ich wollte nicht, dass er mich in diesem fassungslosen Zustand sah, und einen weiteren Schwall wohlverdienter Vorwürfe konnte ich jetzt

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