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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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planen. In seiner Wut und Frustration hatte er sie relativ nachlässig gefesselt. Ihr Knebel saß zwar so fest wie immer, aber ihre Hände waren jetzt vor dem Körper zusammengebunden und nicht an den Stuhl gefesselt. Auch ihre Beine fühlten sich weniger fest verschnürt an als sonst. Das Wichtigste aber war, dass der Stuhl nicht mehr an den Metallring in der Mitte des Raums gekettet war und sich durch vorsichtiges Ruckeln zentimeterweise vorwärtsbewegen ließ.
    Ihr erster Ausflug galt dem Wasserrohr neben dem Lüftungsschacht. Das Rohr war nicht ganz dicht, und sie brauchte dringend Flüssigkeit. Aus der Schulzeit wusste sie, wie viele Tage ihr noch blieben: ungefähr zwanzig ohne Nahrung, nur drei oder vier ohne Wasser. Abgesehen von ihrer Halskette war sie nackt. Ihr Knebel saß immer noch fest an seinem Platz – es war zum Verrücktwerden. Der Wassermangel hatte ihre Lippen aufplatzen und ihre Zunge anschwellen lassen. Sie fühlte sich, als ob sie sich jeden Moment übergeben müsste. Dann aber würde sie an ihrem Erbrochenen ersticken. Also ruckelte sie zentimeterweise zu dem Rohr und presste ihren Mund gegen das poröse Metall. Es dauerte fast eine Stunde. Sie seufzte erleichtert, als sie den Stoff einsog und ihren Mund befeuchtete. Jetzt hatte sie sich ein wenig Zeit verschafft.
    Ihr zweiter Ausflug sollte sie aus dem Raum hinaus in den kleinen Flur führen. Der Raum, in dem sie gefangen gehalten wurde, hatte zwar keine Tür mehr, aber an der Stelle, wo die Tür einmal gewesen war, befand sich immer noch ein auf den Boden genageltes Holzbrett. Celia benötigte vier Anläufe, um diese Unebenheit zu überwinden.
    Der Flur war etwa anderthalb Quadratmeter groß. An einer Seite führte die Treppe nach oben. Der türlose Raum befand sich rechts davon, eine verschlossene Tür zweigte auf der linken Seite ab. Solange sie an den Stuhl gefesselt war, kam sie weder die Treppe hinauf, noch in den zweiten Raum hinein. Da der Flur völlig leer war, erwies sich ihr Ausflug als fruchtlos. Und weil es dort sogar noch schlimmer stank als in »ihrem« Raum, kehrte sie langsam und beschwerlich zurück.
    Ihr nächstes Projekt bestand darin, die Kante des Metalltischs, auf dem die Lampe stand, zum Durchtrennen ihrer Handfesseln zu benutzen. Sie ruckelte gerade auf den Tisch zu, als sie im oberen Stockwerk ein Geräusch hörte. In der Annahme, dass er es sei, richtete sie sich auf und warf einen Blick zurück zur Treppe. Komisch, dass sie sich fast danach sehnte, ihn zu sehen. Er würde ihr vielleicht den Knebel abnehmen, sie füttern und ihr etwas zu trinken zu geben. Wie in den guten alten Zeiten.
    Aber er kam nicht die Treppe herab. Die Schritte wurden lauter. Es waren die Schritte von mehr als einer Person. Sie hörte Gelächter und das Quietschen von Möbeln, die über den Boden geschoben wurden.
    Ein Anfall fieberhafter Aktivität packte sie. Irgendwo im Haus wurde eine Party gefeiert: Man hörte Stimmengewirr und laute Musik. Sie kippelte mit dem Stuhl von einer Seite zur anderen, schlug ihren Kopf gegen das Wasserrohr, arbeitete sich zu dem Tisch in der Ecke vor und schabte mit der Stuhllehne an dessen Metallkante entlang, um ein durchdringendes Kratzgeräusch zu erzeugen. Aber die Party da oben war laut, so laut, dass niemand sie hörte. Sie schlug mit dem Kopf gegen die Wand – und sich selbst bewusstlos.
    Als sie aufwachte, war es hell und still. Sie weinte trockene Tränen. Dann ließ ihre Konzentration nach, und sie dämmerte weg.
    Es war wieder dunkel. Die Stimmen klangen gedämpft und schienen aus weiter Ferne zu kommen. Sie tränkte ihren Knebel und sog das Wasser ein, und dann wartete sie auf den passenden Augenblick. Jemand betrat den Raum über ihr und ging leisen Schrittes auf und ab. Eine einzelne weibliche Stimme sprach zu sich selbst. Das musste das Schlafzimmer einer Frau sein.
    Celia schrammte mit dem Stuhl über den Boden. Und wieder zurück. Jemand stand auf und ging direkt über ihrem Kopf über die Bodendielen. Celias verzweifelter Blick folgte den bebenden Dielen. Oben wurde knarrend eine Tür geöffnet, Schritte verließen den Raum, und dann bebten die Dielen nicht mehr. Wo war die Frau hingegangen? Hatte man sie gehört? Kam gleich jemand herunter, um sie zu retten?
    Die Schritte kehrten in den Raum zurück, und dann wurde es wieder still. Die Frau hatte nichts gehört.
    Celia beschloss, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Sie wackelte so heftig mit dem Stuhl, dass der nach drei oder vier

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