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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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sehr weit aufriss, hatte er sie angelächelt. Sein kleines Mädchen, immer noch frisch, in weißen Söckchen, Turnschuhen und Trainingshose, fit, vital und … Er hatte sie auf Wange und Nase geküsst. Er hatte an ihrem linken Ohr geleckt, an der Stelle unter ihrem rechten Ohr. Er hatte seine Zunge so weit wie möglich in ihr rechtes Ohr gesteckt, war damit über ihre Stirn gefahren und hatte das Salz ihrer Furcht geschmeckt. Sie hatte still dagesessen, mit jetzt fest geschlossenen Augen, während er sich an ihrem Gesicht rieb. Dann signalisierte sein »Ah«, dass es vorbei war, dass es ihr vom Kinn tropfte.
    Sieben Nächte in Folge. Ah, gleich, gleich. Danach hatte er ihr den Knebel abgenommen und ihr ein Messer an die Kehle gedrückt, damit sie nicht schrie. Aber eigentlich machte er sich keine große Sorgen: Wer sollte ihre Schreie schon hören? Er hatte sie mit einem Löffel gefüttert, hatte ihr mit einem Strohhalm Wasser eingeflößt, hatte die kleinen Vorkommnisse des Tages mit ihr besprochen. Dann hatte er ihr den Knebel angelegt, das Licht ausgeschaltet und Tür um Tür – Wandschrank, Diele, Küche – hinter sich gelassen. Er war in die richtige Welt zurückgekehrt.
    In der zweiten Woche war ihm der Gestank aus dem Eimer zunehmend auf den Magen geschlagen, und so hatte er sie nur noch jeden zweiten Tag besucht. Sie war auf dem Stuhl sitzen geblieben, und er hatte sich gefragt, wie sie es überhaupt fertigbrachte, einfach nur so dazusitzen.
    Ein einziger Besuch in der dritten Woche. Er hatte viel um die Ohren gehabt, und als er zurückkam, war es überhaupt nicht gut gewesen. Sie hatte ihren Eimer umgestoßen, und der Stuhl lag in einer Lache aus Pisse und Scheiße. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihm wäre das Frühstück hochgekommen. Sie hatte sich gehen lassen, und es wurde höchste Zeit, dass sie besser für sich sorgte. Also hatte er eine Vereinbarung mit ihr getroffen: »Ich binde dich los, wenn du ein braves Mädchen bist. Kein Geschrei, keine krummen Touren, ich muss dich bloß sauber machen.«
    Ihr früher so hübsches Gesicht hatte ihn angeschaut, und sie hatte genickt. Daraufhin hatte er das Vorhängeschloss geöffnet, mit dem ihr Stuhl an den Metallring im Boden gekettet war. Er hatte den Stuhl aufgerichtet, sie draufgesetzt und von der stinkenden braunen Brühe weggetragen. Nachdem er ihr das Halstuch abgenommen hatte, war ihr Mund eine Weile in der gleichen Position geblieben, als ob das Tuch noch da wäre. Aber schließlich sah er wieder das Gesicht, das ihm auf der Straße so gut gefallen hatte: die dunkelbraunen Augen, das glattschwarze Haar. Und die Figur: optimales Gewicht, optimale Größe, Gesundheit, Muskeln, Frische, Fitness.
    Er hatte ihr einen Finger auf den Mund gelegt, und sie war folgsam gewesen und still geblieben, als er sie losband und mit einem Schwamm zu waschen anfing.
    Zuerst hatte er ihr den linken Arm abgewischt. Als er den Schwamm in der Schüssel ausdrückte, hatte das Geräusch des tröpfelnden Schmutzwassers ihn daran erinnert, wie seine Mama ihm früher einmal die Stirn gekühlt hatte, als er krank gewesen war.
    Er hatte sanft ihre linke und rechte Hand gehalten und sie bis zu den Ellbogen gesäubert, und dann hatte er ihr das T-Shirt über die Brüste gezogen. Er hatte ihren Büstenhalter geöffnet und jede Brust mit dem schäumenden Schwamm gereinigt. Er hatte sie bei den Händen genommen und ihr die Arme zu heben geholfen, damit er ihr das T-Shirt ausziehen konnte. Er hatte ihr auch beim Aufstehen geholfen, damit er ihr die Trainingshose und die Socken ausziehen und jene Körperteile abwischen konnte, die seit dem ersten Tag nackt waren, weil er so freundlich gewesen war, ihre Hose und Unterhose bis zu den Knien herabzuziehen. Er hatte ihre Kleider in einen schwarzen Müllbeutel gesteckt und langsam erst sie abgewischt, dann den Sitz, in den er vor ihrer Ankunft ein Loch gesägt hatte. Er hatte sie sanft angeleitet, wieder ihre sitzende Position einzunehmen, hatte ihr das Gesicht und die Augen mit dem Schwamm abgewischt und sich dann herabgebeugt, um ihre Füße zu reinigen.
    Und da war es geschehen. Als er ihr den nassen Schwamm zwischen die Zehen presste, trat sie ihn. Er fiel zu Boden. Seine Nase begann zu bluten. Einen Augenblick lang sah er benommen zu, wie sie aus dem Raum rannte und auf die Treppe zulief. Sie erklomm eins, zwei, drei, vier Stufen. Er erhob sich langsam, als sie sich an einem der inneren Schlösser zu schaffen machte, die er zum Glück

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