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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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ewigen Zeiten die allerbesten Freunde zu sein.
    ***
    Die Party lief auf Hochtouren. Zwei Dutzend Leute zwischen zwanzig und dreißig standen im Essbereich herum, und im Fernsehen lief MTV mit voller Lautstärke. Bronny sah sich rasch im Raum um: Alle waren entspannt, betrunken und fröhlich. Seit Rachel Thompsons vierzehntem Geburtstag in Seymour war sie auf keiner Party mehr gewesen, und die war um neun Uhr mit Kuchen und Limonade ausgeklungen. Bronny kippte einige Biere, ihre ersten Biere überhaupt, und dann stellte sie sich wild entschlossen ihrer neuen Welt. Als da waren:
    Fliss, die neuseeländische Zimmergenossin, die gerade ihre Schicht im Pub beendet hatte. Typ Möchtegern-Model: dunkles, glänzendes Haar, tiefbraune Augen, drei Meter groß und so dünn, dass man quasi durch sie hindurchsehen konnte.
    Ray, der rothaarige Schlosser aus Jo’burg.
    Zach aus Torquay (dem australischen Torquay), der immer eine Gitarre mit sich herumschleppte, lange Haare hatte und Lenny Kravitz verehrte.
    Pete aus Adelaide, mit gewaltigen Muskeln und dem dazu passenden unnachgiebigen Gesichtsausdruck.
    Cheryl-Anne aus Wagga Wagga, deren glattes braunes Haar dünner als Papier war. Cheryl-Anne hatte eine dreijährige Tochter – aber nicht hier, sondern in Wagga Wagga.
    Und Francesco … hm … Francesco mit seinem ungewöhnlichen Akzent.
    »Einfach ziehen!«, hatte er gesagt, als Bronny später am Abend vor einer Wasserpfeife gesessen hatte. »Ein paar Sekunden drinbehalten und dann langsam rauslassen.«
    Ihr Husten dauerte länger, als es in feiner Gesellschaft üblich ist, und er endete mit in die Luft gereckten Armen, einem Heimlich-Rettungsgriff, zwei Gläsern Wasser und einem »Whitey«, einem schweren Anfall von Haschisch-Übelkeit.
    »Mach dir deshalb keine Sorgen«, sagte Francesco und schaute sie an, während sie in voller Montur unter der laufenden Dusche stand.
    »Nimm meine Hand, ich sterbe. Ein Licht kommt auf mich zu.«
    »Ich nehme deine Hand, aber du wirst nicht sterben«, sagte Francesco. Das Wasser floss ihr von der vorgestreckten Unterlippe aufs T-Shirt. »Erst wird dir schwindlig, dann musst du reihern, dann werden wir tanzen. Und morgen früh gehen wir in dieses Lokal in Queensway, die haben super Bagels mit Rahmkäse und Räucherlachs.«

4
    Nachdem mir Francesco bei meinem »Whitey« beigestanden hatte, begleitete er mich nach unten und wir tanzten die ganze Nacht durch. Wir hielten Händchen, sanken uns bei langsamen Stücken in die Arme und kuschelten auf dem Sofa im Speisesaal. Ich dachte, dass wir jetzt offiziell zusammen seien, ein Paar. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Was er auf seinen Reisen gesehen hatte (Restaurants), was er seit seiner Rückkehr gemacht hatte (in Restaurants essen gehen). Ich erzählte ihm von meiner Arbeit in der Münzanstalt: wie jemand seine Hand in die Presse gesteckt und dabei alle Finger verloren hatte, und wie eine Arbeiterin auf dem Weg zum McDonald’s an der Ecke von einem Geländewagen überfahren worden war, der einem streunenden Schaf auswich. Dem Schaf war nichts passiert, aber die Frau hatte in Bröckchen auf Ronald McDonald geklebt. Francesco fragte mich, ob es in der Münzanstalt auch mal was anderes als Tod und Zerstörung gegeben habe, und ich sagte: eher nicht. Meine Arbeit als Archivangestellte sei so langweilig gewesen, dass Geschichten über Krankheit und Tod das einzig Erinnernswerte seien.
    Ich erzählte ihm von Ursula, meiner patenten Schwester, die immer, wirklich immer bekam, was sie wollte. Wenn meine Mutter eine rosafarbene und eine blaue Humpty-Dumpty-Puppe gekauft hatte, dann kriegte sie die rosafarbene. Wenn sie in den Lunapark wollte und ich nicht, dann gingen wir hin. Wenn sie beschloss, in Melbourne Medizin zu studieren, dann passierte das auch. Ihre positiven Untersuchungsergebnisse erwähnte ich nicht – nicht nur, weil ich nicht darüber sprechen wollte, sondern auch, weil ich sah, dass Francesco eingeschlafen war.
    Ich hatte noch nie so nah neben einem Kerl gesessen. Am Nächsten war ich bislang meinem Tennispartner Paul Fletcher gekommen, als wir zum Osterturnier das gemischte Doppel gewonnen hatten und für den Fotografen der Kilburn Free Press jeder einen Griff der Trophäe halten mussten. Paul war genau wie all die anderen Jungs in Kilburn: ein rothaariger Angeber mit einer Neigung zu allzu engen Football-Shorts, die sein Gemächt hervortreten ließen.
    Ich schaute Francesco an, mit seiner tollen Jeans und dem tadellos

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