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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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sehr lange so weiter, aber schließlich wurde aus dem Schreien und Weinen ein etwas sanfteres Schluchzen und Beben.
    Ich hatte geweint, als ich mit Pete im Bett gewesen war, aber das hatte nicht ausgereicht für all die Jahre zuvor, in denen ich kein einziges Mal geweint hatte. Es hatte nur die Steine in meinem Bauch ein wenig durcheinandergebracht. Jetzt spürte ich, wie sie sich aneinanderrieben und schließlich völlig verschwanden. Wie Smarties in einem heißen Topf. Mir fiel der Brief meiner Mutter ein: Sie hatte so fröhlich geklungen und gesagt, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sei. Sie hatte meine Knubbelbäckchen geküsst.
    Ich nahm den Brief und las ihn noch einmal. Mit den Fingern fuhr ich über die Wörter und nahm ganz in mich auf, was meine Mama mir zu sagen versucht hatte – dass alles gut werden würde, dass sie bei mir sei, dass sie mich lieb habe.
    »Lerne neu zu gehen«, las ich laut.
    »Was?«, fragte Hamish. Der arme Hamish. Er hatte mitansehen müssen, wie ich hemmungslos meiner Traurigkeit nachgegeben hatte, und er hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte.
    »Meine Mutter hat mir diesen Brief geschrieben. Sie sagt, es sei, als ob man ein zweites Paar Beine bekäme, und dass ich zum zweiten Mal gehen lernen werde. Vor ein paar Minuten wusste ich noch nicht, was sie damit meinte.«
    »Sie meint, dass du kämpfen sollst«, sagte Hamish.
    »Genau.«
    Sie hatte recht. Ich sollte kämpfen. Ich sollte für die Jahre kämpfen, die mir gegeben worden waren, für die Freunde, die ich noch kennenlernen würde, den Spaß, den ich noch haben konnte, die Länder, die ich noch nicht bereist hatte. Für die Liebe, die ich zu geben imstande war.
    Zum ersten Mal seit zehn Jahren fühlte sich mein Bauch wie ein Bauch an, nicht wie ein Sack voller Steine. Ich lauschte meinem Herzschlag. Er war laut und schnell. Alles um mich herum schien sich in der Schwebe zu befinden. Eine Welle von Adrenalin durchflutete mich. So lebendig hatte ich mich lange nicht gefühlt. Meinen ersten Ausflug ins Leben hatte ich mit Cannabis gedämpft, mit dem Resultat, dass ich immer noch wie betäubt gewesen war. Zwar hatte ich theatralisch verkündet, dass ich leben würde, doch im Grunde war ich bloß davongelaufen. Wozu war ich da? Um Angestellte der Woche zu werden (und spektakulär in Ungnade zu fallen)? Freundin des Jahres (für Seelenverwandte, die genauso schnell den Kontakt abbrachen, wie sie ihn knüpften)? Fick des Jahrhunderts (für einen Serienmörder – ha!)? Wie wäre es mit Retterin des Universums? Nicht mal Celias Hilferufe hatte ich gehört. Ich hatte nichts getan, nichts erreicht, keine bleibenden Spuren hinterlassen.
    Aber jetzt wusste ich, dass mir zu alldem weniger Zeit blieb, als ich gedacht hatte. Etwas begann in mir zu brodeln. Es war, als ob jemand die lebenslange Sperre für den Luna-Park aufgehoben und mir ein neues Tagesticket geschenkt hätte. Und diesmal wollte ich mein Ticket wirklich haben, diesmal wollte mich für eine Fahrt an der Achterbahn anstellen, mich neben Ursula in den ersten Wagen setzen, die Arme in die Luft werfen, die Augen weit aufreißen und laut losschreien. Man hatte mir einen Tag voller schwindelerregender Erlebnisfahrten geschenkt. Natürlich würde dieser Tag enden, aber er würde ein wissendes Lächeln auf meinem Gesicht hinterlassen. Warum? Weil ich endlich mit der Achterbahn gefahren war. Mama und Hamish hatten recht, ich musste kämpfen. Ich würde kämpfen. Jetzt, wo ich wusste, dass ich todkank war, würde mein Leben erst richtig beginnen.
    »Das ist die richtige Einstellung«, sagte Hamish und reichte mir einen Beutel mit frischer Kleidung.
    »Geh duschen. Ich hole Wein, und dann stoßen wir auf den Rest deines Lebens an.«
    ***
    Ich nahm Hamishs Tüte und ging ins Untergeschoss. Ich wollte ein wenig zur Ruhe kommen, ehe ich Ursula und Papa anrief. Mussten sie die ganze Geschichte jetzt noch einmal durchleben? Und da waren ja auch noch ihre Schuldgefühle – bei Papa, weil er die Frau geliebt hatte, die mir diese Krankheit vererbt hatte; bei Ursula, weil sie diejenige war, die ungeschoren davonkam.
    Als ich in der Duschkabine stand und auf das Heißwerden des Wassers wartete, stiegen weitere Tränen in mir hoch. Das Wasser wollte und wollte nicht heiß werden, und mir fiel ein, dass ich den Boiler im Wandschrank abgestellt hatte. Ich wickelte ein Handtuch um und ging los, um den Boiler wieder anzuschalten. Dann lief ich zurück unter die Dusche, zog die Kabinentür zu

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