Die dunklen Engel (German Edition)
für Paunceley zu arbeiten. Seine monströse Lordschaft hat ihn mir gegenüber aber nie erwähnt.» Achilles zuckte die Achseln, als würde ihn das nicht unbedingt überraschen. «Das ist eine Verschwörung gegen uns! Gegen unsere Familie. Unsere Verwandten sterben, Campion, nicht Paunceleys. Also werde ich deinen Zigeuner begleiten und herausfinden, ob er Paunceley wirklich kennt, und ich finde auch heraus, ob dieses verdorbene Ungeheuer mit deinem Zigeuner der Meinung ist, du solltest nach Frankreich reisen.»
«Aber ich gehe sowieso nicht!»
«Nicht einmal aus Liebe? Nicht für eine Liebe, die von den Illuminaten gestiftet wurde? Den Gefallenen Engeln?»
«Ich gehe nicht!»
«Das wäre auch sehr dumm», sagte er in scharfem Ton. «Vergiss nicht, ich habe auch meine finsteren Freunde in Lord Paunceleys Welt. Tue nichts, liebe Campion, bevor ich herausgefunden habe, wer dieser Zigeuner ist.»
Sie nickte. «Ich tue nichts, Onkel.»
Er streckte die Hand nach ihr aus und tätschelte ihren Arm. «Es tut mir leid, wenn ich dich traurig gemacht habe, liebe Nichte.»
Sie schüttelte den Kopf. «Das hast du nicht.»
«Oh, sicher doch!» Bei seiner Geste brach sich das Kerzenlicht in dem dunkelroten Stein seines Bischofsrings. «Liebende haben einen Hang zur Traurigkeit, sie ist ihnen genauso unabdingbar wie das Glück. Nur die Intensität der Gefühle überzeugt sie davon, dass es die Liebe wirklich gibt. Sie können sich nicht mit Zufriedenheit begnügen, o nein! Es müssen die Höhen der Ekstase oder die Abgründe der Melancholie sein, und sie begreifen einfach nicht, dass man, wenn man alles für die Freude eines einzigen Augenblicks aufgibt, das Risiko ewiger Langeweile eingeht.» Er lächelte. «Ich komme in Stimmung zu predigen. Besser, ich bin jetzt still.»
Schweigend schaute Campion zum Fenster hinaus. Von Osten her zog die Dunkelheit über Lazen heran, eine samtige, weiche Dunkelheit. Luzifer lebte noch, und solange er lebte, würde es in diesem Tal keinen Frieden geben.
«Eine Partie Schach, liebe Nichte?»
Sie spielte, doch in Gedanken war sie ganz woanders. Sie hatte geglaubt, der flinke Degen des Zigeuners habe die Ranken durchschnitten, die sich um Lazen schlangen, doch jetzt schien es ihr, als könnte der Mann, den sie liebte, auch der Mann sein, der geschickt worden war, damit sie ihn liebte. Liebe zerriss sie, Liebe quälte sie, Liebe trieb sie an.
Mit ihrem schwarzen Springer rückte sie vor. Achilles seufzte und schlug ihn mit seinem Bischof. Der kleine Reiter ging mit erhobenem Schwert vom Brett; jetzt war ihre Königin bedroht. Sie konnte nicht gewinnen. Sie war verliebt, und die Qualen der Liebe überwältigten sie in dieser Nacht des Sieges.
19
Lady Campion Lazender – sie weigerte sich, sich von jemandem mit Lady Culloden anreden zu lassen – spürte den überwältigenden Wunsch, Simon Stepper, dem Buchhändler von Lazen, zu sagen, er möge bitte ein Bad nehmen. Doch sie kam zu dem Schluss, es wäre zu kränkend, also öffnete sie stattdessen die windwärtsgelegenen Fenster der Bibliothek und setzte sich auf den niedrigen, mit Kissen gepolsterten Fenstersitz. «Haben Sie etwas gefunden, Mr. Stepper?»
«Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich in der Tat etwas entdeckt habe, ja!» Er lachte bei sich, eine Angewohnheit, die er sich in den einsamen Jahren zugelegt hatte, da er in seinem staubigen Laden saß und auf Kundschaft wartete. Er hievte seine Büchertasche auf den Tisch und setzte sich zufrieden auf einen Stuhl. Sommers wie winters trug er einen Schal, an dem er jetzt zupfte, um den Deckel eines großen, in Leder gebundenen Bands abzustauben. «Besitzen Sie den Tractatus von Abbé Ferreau?»
«Nein», sagte Campion.
«Nur vier Guineen, Eure Ladyschaft; ich könnte es gleich hierlassen?» Hoffnungsvoll linste er über seine Brille.
«Selbstverständlich.» Sie lächelte.
«Großartig, in der Tat!» Er lachte. «Nun, ich habe die Stellen markiert. Sein Latein ist schauderhaft, aber was will man von der römischen Kirche schon erwarten, nicht wahr? Möchten Sie einen Blick darauf werfen?» Er schob ihr das aufgeschlagene Buch hin.
Campion hielt ihren kritischen Abstand bei. «Bitte, Mr. Stepper, es wäre mir lieber, Sie erzählen es mir.»
«Selbstverständlich. Nun denn, wollen mal schauen, wollen mal schauen!» Er zog das Buch näher heran. Er trug Handschuhe, deren Fingerspitzen abgeschnitten waren. Die Seiten des Buches knisterten beim Umblättern. «Illuminaten,
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