Die dunklen Engel (German Edition)
gegründet von einem Mann namens Weishaupt, Adam Weishaupt aus Ingolstadt. Ich war dort einmal, Mylady, vor vielen Jahren. Ich glaube, mich an eine sehr schöne mehrsprachige Bibel zu erinnern, aus der Druckerei Plantin, natürlich. Sehr schön. Jenseits meiner bescheidenen Mittel, natürlich, aber …»
«Mr. Stepper?»
«Was? Oh, natürlich!» Er lachte. «Aber ich schweife ab, in der Tat, ja. Wir sprachen über die Illuminaten?»
«Ja.» Sie hatte Simon Stepper, dessen Geist zwischen seinen Bücherstapeln außergewöhnliche Entfernungen durchstreifte, gebeten, zu sehen, was er über die Illuminaten herausfinden könne.
Er blätterte eine Seite um. «Selbstverständlich ist Abbé Ferreau, denke ich, nicht die allerzuverlässigste Autorität. Ein richtiges Klatschmaul, Mylady, und sein Latein ist schlecht, sehr schlecht, ja sogar hundsmiserabel.» Er lachte. «So ein Latein würde man vielleicht in Cambridge erwarten, aber doch nicht in der römischen Kirche, in der Tat nicht. Ah! Er sagt, Mylady, und Sie werden verzeihen, wenn ich frei übersetze?»
«Natürlich.»
Er linste über seine verschmierte Brille. «Obwohl ich vermute, dass selbst meine bescheidene Übersetzung eine Verbesserung des Originals ist!» Er lachte. «Hundsmiserabel, in der Tat. Wuff, wuff. Meine Güte. Wo waren wir?»
«Die Illuminaten?» Sie verbarg ein Lächeln.
«Genau. Genau.» Er legte einen schmutzigen Fingernagel auf eine Zeile, runzelte die Stirn und sprach mit feierlicher, bedeutungsvoller Stimme, die er dem geschriebenen Wort für angemessen hielt. «Sie beabsichtigen, eine neue Religion zu gründen und, lassen Sie mich nachdenken, zu verbreiten? Ja, eine neue Religion zu verbreiten, Mylady, die auf aufgeklärter Vernunft gegründet ist! Ah! Sie glauben, Sie wissen, was das ist, nicht wahr? Meine Güte! Wo war ich? Ah, ja. Sie wollen eine universelle, demokratische Republik gründen, meine Güte! Sie beabsichtigen, die existierende Kirche und die Regierungen der Welt zu stürzen!» Er lehnte sich zurück und schüttelte sein graues Haupt. «Ferreau kann sich natürlich irren.»
«Ich glaube nicht», sagte Campion leise.
Stepper hatte sie nicht gehört. «Andererseits dürfen Sie nicht vergessen, dass Weishaupt den Orden 1776 gegründet hat!»
Sie runzelte die Stirn. «1776?»
«Die Amerikaner, Mylady? Der Rebell Washington?»
«Natürlich.»
«Ein schlimmes Jahr! In der Tat. Dabei kann natürlich nichts herauskommen. Die Rothäute werden sie ins Meer treiben, und das war’s dann!» Er schüttelte den Kopf. «Tz, tz, tz. Ich glaube, in Philadelphia ist eine schöne Druckerei, da habe ich einen sehr schönen Ovid gesehen. Sehr traurig, sehr traurig.» Er dachte über die nahende Umwälzung in Amerika nach, bis Campion, die der Brise mit einem der Fächer nachhalf, die von der Hochzeit übrig waren, ihn sanft wieder auf die Illuminaten brachte.
«Ja! Natürlich! Meine Güte!» Er langte in seine Tasche und holte ein weiteres Buch heraus. «Besitzen Sie Balthazar Bleibachts Discourses , Mylady?»
«Meines Wissens nicht.»
«Drei Guineen?»
Sie lächelte. «Selbstverständlich.»
«Großartig, großartig! Nicht dass ich viel über Bleibacht weiß. Miserabler Druck, natürlich, ich mochte Fraktur noch nie. Trotzdem, er hat etwas zu sagen, wollen mal schauen, wollen mal schauen. Hier!» Er nahm eine Feder aus der Seite. «Die Illuminaten, schreibt er, glauben an den Illuminatismus. Ich wundere mich immer, warum die Deutschen das Offensichtliche so hervorheben müssen. Lassen Sie mich mal schauen … den Besitz eines inneren Lichts! Das klingt logisch, was glaubt er wohl, was Illuminatismus ist, wenn nicht das, hm? Er schreibt, sie agieren sehr geheim. Darin stimmt Ferreau ihm zu. Erstklassig organisiert! Das müssen sie! Die Regierungen der Welt stürzen, in der Tat!» Er lachte. «Was noch, lassen Sie mich mal sehen, mal sehen. Ah, ja! Bleibacht schreibt, dass sie glauben, das Ziel rechtfertige jegliche Mittel! Jegliche! Tz, tz, tz.»
Für Campion klang das alles völlig logisch. Eine geheime Bewegung, die sich dem Republikanismus und dem Sturz etablierter Monarchien verschrieben hatte. Eine Bewegung mit einem unbarmherzigen Ziel. Von draußen hörte sie Räder auf dem Kies der Auffahrt. Die Ernte wurde eingefahren, die Wagen waren mit Korn beladen. «Steht in dem Buch etwas darüber, ob die Bewegung sich nach England ausgebreitet hat?»
«Nein.» Stepper polierte mit dem Ende seines Schals seine Brillengläser.
Weitere Kostenlose Bücher