Die dunklen Engel (German Edition)
Gesicht unter der schmuddeligen Perücke richtete sich wieder auf Campion. «Also, was in Gottes Namen ist daran so beunruhigend? Wir stellen das Schiff! Der Kerl kümmert sich um Sie! Er tötet Ihre Feinde, und darin ist er sehr geschickt, und dann kommen Sie wieder nach Hause!»
Alle schienen auf ihre Antwort zu warten, doch sie schwieg. Sie sah Skavadale an. In gewissem Sinne, dachte sie, hat mein Onkel recht gehabt. Der Zigeuner arbeitete sowohl für die Gefallenen Engel als auch für Lord Paunceley, doch welcher Seite gilt seine Loyalität? Sie erinnerte sich daran, dass Lord Culloden ihr gestanden hatte, er habe in Auxigny eine junge Frau umgebracht, als Opfer für jeden neuen Gefallenen Engel müsse ein Mädchen sterben, und es schauderte sie bei dem Gedanken, dass sie das nächste Opfer sein sollte. Sie forschte in dem dunklen, starken Gesicht des Zigeuners und konnte nicht glauben, dass dieser Mann ein Feind war. Das Schweigen zog sich hin.
Der Zigeuner seufzte. Er saß auf dem Bibliothekstritt, schaute Campion mit einem Anflug von Traurigkeit an und zuckte dann mit Blick auf Lord Paunceley die Achseln. «Ich habe eine andere junge Frau, die gehen könnte.»
Paunceley sah ihn an. «Tatsächlich? Und wie sieht sie aus?»
«Blondes Haar, dieselbe Größe.» Er zuckte die Achseln. «Wir müssten sie natürlich bezahlen.»
«Sie ist es gewohnt, Geld zu nehmen, was?» Paunceley lachte. «Ist sie hübsch, Ihre Hure?»
Der Zigeuner nickte. «Es heißt, sie sei schön, Mylord.»
«Was für eine junge Frau?», fragte Campion.
Paunceley sah sie mürrisch an. «Wenn Sie uns nicht helfen wollen, Mylady, dann seien Sie bitte so höflich, uns nicht zu unterbrechen!»
Sie stand auf, sein grobes Benehmen hatte ihr die Röte in die Wangen getrieben. «Was für eine junge Frau?»
Der Zigeuner zuckte die Achseln. «Sie ist Schauspielerin.»
«Das war Nell Gwyn auch.» Paunceley lachte. «Alle Huren behaupten, sie wären Schauspielerinnen! So viele Theater gibt es in ganz Europa nicht für all die Schauspielerinnen!» Er blickte Skavadale an. «Dann nehmen Sie sie wohl besser, Kerl.»
«Sie reist an meiner Stelle?»
«Lady Campion», sagte Paunceley plötzlich in schroffem Ton, «ich würde keinen Schilling opfern, um dieses Haus zu retten. Es wäre mir auch egal, wenn die Illuminaten es in ein Hurenhaus verwandelten. Aber mir liegt etwas an England. Wir mögen einen dicken König haben, und es mag auch sein, dass es in diesem Land mehr Narren gibt als auf einem Volksfest, aber ich möchte nicht miterleben, dass es in diesem Land von schnatternden Revolutionären wimmelt, die mir den Lebensabend verderben. Ich werde bezahlt, dafür zu sorgen, dass die Verrückten im Parlament bleiben und nicht in unseren Straßen randalieren! Luzifer, Mylady, wird dieses Land in ein zweites Frankreich verwandeln, in ein blutüberströmtes Leichenhaus! Also muss ich ihn töten. Deswegen beschäftigt der dicke George mich! Und wenn Sie mir nicht helfen, dann, bei Gott, bezahle ich jede Schlampe in der Stadt, an Ihrer statt zu gehen!» Er schaute Skavadale wieder an. «Bitte entschuldigen Sie meine unbeherrschte Unterbrechung, Kerl, und erzählen Sie mir von dieser geilen Maid, die Sie durch Frankreich begleiten werden?»
Campion starrte den Zigeuner erstaunt an. «Sie meinen, diese junge Frau wird unter dem Namen Campion Lazender reisen?»
Er nickte. «Natürlich!»
«Das wird sie nicht!»
Fast schrie sie ihre Worte. Paunceley lächelte. Es war seine Idee gewesen, eine junge Frau zu erfinden, die an Campions Stelle reisen würde. Er sah sie an. «Das können Sie uns nicht verbieten.»
Campion staunte über die Eifersucht, die ihr einen Stich versetzt hatte, Eifersucht auf eine ihr unbekannte junge Frau, die in Begleitung dieses Mannes durch Frankreich reisen sollte. Sie sah ihn an. «Wie werden Sie in Frankreich reisen?»
«Mit den Roma bis nach Paris, und dann mit der Postkutsche weiter.»
Es herrschte Schweigen.
Paunceley kicherte. «Vielleicht wäre die Schauspielerin besser, Kerl? Ich bezweifle, dass Lady Campion mit solchen Unbequemlichkeiten zurechtkäme.»
Sie achtete gar nicht auf ihn, sondern starrte Skavadale an. Sie dachte an Achilles’ Warnung, doch war diese Versammlung in der Bibliothek von Lazen nicht der Beweis dafür, dass die Loyalität des Zigeuners Paunceley galt? Ihr Verstand warnte sie mit jeder Faser, doch gleichzeitig bot sich ihr die Gelegenheit, mit diesem Mann allein zu sein, weit weg von
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