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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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kämpfte. Die Rebellion in der Vendée war in vollem Gange. Franzosen kämpften gegen Franzosen. Er hatte, schrieb er, einen Decknamen angenommen, um seinen Feinden Angst einzujagen. Campion lachte.
    «Was ist?», fragte ihr Vater. Caleb Wright hatte gerade auf einem Tablett sein Mittagessen gebracht. Campion wusste, dass er wenig davon essen würde.
    «Er nennt sich Le Revenant !» Revenant bedeutete auf Englisch wie auf Französisch Wiedergänger, jemand, der aus dem Reich der Toten zurückgekehrt war, um die Lebenden zu jagen. Sie lachte wieder. «Er sollte sich Karottenkopf nennen.»
    Ihr Vater lächelte. «Junge Männer sind voller Grillen, meine Liebe. Ich kenne noch einen jungen Mann, der auch darunter leidet.»
    «Wer?»
    «Schau aus dem Fenster.»
    Das tat sie, ließ den Brief fallen und schlug die Hände vor den Mund. Ihr Vater hielt es für eine Geste des Entzückens. «Geh runter.»
    «Vater!»
    «Geh schon! Caleb und ich schauen zu.»
    Sie ging nach unten und trat hinaus auf den Vorhof, ging weiter ans Seeufer, wo eine Reihe amüsierter Dienstboten auf sie wartete. Lord Culloden verbeugte sich, als sie näher trat. In der Hand hielt er einen weißen Strick.
    Am anderen Ende des Stricks trieb, anmutig schimmernd, eine Prunkbarkasse.
    Campion wusste, dass es diesen Kahn gab. Angeblich hatte der zweite Graf ihn bauen lassen, und Campion erinnerte sich, dass sie das alte Boot, dessen Farbe längst abgeblättert war, umgedreht auf Hürden in einem der düsteren, staubigen Gebäude des Schlosses gesehen hatte. Über die Jahre war Bauholz darauf gelagert worden, Mäuse, Spatzen und Katzen hatten sich darin häuslich eingerichtet, und Staub und Spinnweben hatten sich darübergelegt wie über so viele halb vergessene Schätze in den Lagerräumen des Schlosses.
    Lord Culloden hatte es aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Es sah ganz neu aus und schimmerte in Weiß und Gold.
    Der Kahn war neun Meter lang, im Bug gab es Bänke für sechs Ruderer. Über ihnen ragte stolz ein vergoldeter, mit Schnitzereien reich verzierter Bug auf, der in strahlenden Farben das Wappen der Lazenders trug.
    Im Heckteil der Barkasse, wo das Dollbord breiter wurde, erhob sich ein kleiner Pavillon mit Vorhängen unter einem eleganten, weißlackierten hölzernen Dach. Die Vorhänge waren aufgezogen, Kissen lagen um einen Tisch drapiert, der zum Mahl gedeckt war. Hinter dem Pavillon gab es eine kleine Plattform für den Steuermann.
    Lord Culloden lächelte. «Wenn wir es richtig machen würden, hätten wir einen zweiten Kahn mit Musikern.»
    «Was richtig machen?»
    «Unsere Entdeckungsfahrt.» Er verbeugte sich und bot ihr seine Hand, um ihr an Bord zu helfen.
    «Eine Fahrt!» Sie lachte gezwungen. Natürlich wusste sie, warum dieses wunderschöne Boot gerettet und neu lackiert worden war, und sie vermutete, dass auch die Dienstboten es wussten und ihre Freude und ihr Lachen nicht allein dem Boot galt, sondern der Frage, die hinter den Vorhängen des Pavillons gestellt werden würde.
    Sie nahm seine Hand, trat vorsichtig an Bord, und die Dienstboten klatschten, als hätte sie etwas Großartiges vollbracht.
    Lord Culloden folgte ihr. Mit dem Fuß stieß er das Boot vom sumpfigen Ufer ab. «In die Kabine, Mylady!»
    Die Dienstboten lachten. Der Kahn schaukelte beängstigend, als Lord Culloden eine lange Stange nahm und in den Grund des Sees stieß, und löste sich vom Ufer.
    Campion lugte unter dem geschnitzten Baldachin heraus. «Sollten wir nicht Ruderer haben?»
    «Ihre Dienstboten sind alle Landratten.»
    «Sie wollen staken? Dann treiben wir im Kreis!»
    Es stimmte. Statt einen geraden, eleganten Kurs in die Mitte des Sees einzuschlagen, beschrieb der Kahn, als Lord Culloden die unhandliche Stange ins Wasser stieß, schaukelnd einen mehr oder weniger kreisförmigen Bogen. Er zog die Stange heraus, von deren Spitze Unkraut und Schlamm tropften, und warf sie an Bord. «Wir lassen uns treiben, Mylady.»
    Genau wie wir uns in die Ehe treiben lassen, dachte sie. Als der Winter in den Frühling übergegangen war und die Bäume sich mit Knospen überzogen, hatte sie sich gefragt, warum Lord Culloden nicht um ihre Hand angehalten hatte. Ihr Vater hatte seine Erlaubnis gegeben, und nichts war geschehen! Jetzt, da der Augenblick gekommen war, fühlte sie sich seltsam unvorbereitet, obwohl sie, wenn sie allein war, kaum an etwas anderes gedacht hatte.
    Sie lehnte sich in die Kissen. Zum tausendsten Mal fragte sie sich, was sie bei der Frage wohl

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