Die dunklen Engel (German Edition)
Stirn. «Ich muss in zwei Wochen nach London.»
«Sie müssen?» Sie fand, sie klang ziemlich erleichtert, also wiederholte sie die Worte noch einmal in ängstlicherem Tonfall.
«Ich habe einige kleinere Angelegenheiten beim Regiment zu klären.» Er zuckte die Achseln, als sei es unwichtig, und schenkte ihr noch Wein ein. «Sie haben einen Brief von Toby bekommen?»
Vielleicht würde er ihr doch keinen Antrag machen. «Ja.»
«Wie geht es ihm?»
«Er ist ermüdend blutdürstig und behauptet, acht französische Soldaten getötet zu haben. Ich weiß nicht recht, ob ich mich darüber freuen kann.»
«Weil Sie halb Französin sind.»
«Stimmt.» Sie schloss die Augen. Es war warm. Die drei geschlossenen Vorhänge hielten den Wind ab. Wenn er sie hätte fragen wollen, hätte er es sicher längst getan. Dann kam ihr der Gedanke, dass er vielleicht wollte, dass sie einschlief, damit er sie mit einem Kuss wecken konnte, und sie überlegte, ob Dornröschens Prinz einen Schnurrbart gehabt hatte. Der Wein hatte sie müde gemacht. Ob die Menschen sich immer betranken, bevor sie einen Heiratsantrag machten? Vielleicht war das die beste Alternative zu einer Verlobung per Brief.
Lord Culloden sagte nichts. Er schaute hinaus auf das zitternde Sonnenlicht auf dem grauen Wasser und sah die Wolken, die sich im Norden ballten, dann blickte er auf Campion und sah die außerordentliche Zartheit der jungen Frau, die Klarheit ihrer Haut, die Schönheit ihres Gesichts. Sie hatte die Augen geschlossen. Er dachte an ihre erste Begegnung, und er wusste, hätte er auf der winterlichen Straße nicht den Säbel geschwungen, wäre er jetzt nicht hier. Er lächelte bei der Erinnerung daran.
«Was ist so lustig?»
Er schaute auf sie hinab und sah, dass sie ihn mit ihren blauen Augen anschaute. «Ich dachte, Sie würden schlafen.»
«Nein. Warum lächeln Sie?»
«Ist das verboten?»
«Wenn man in einem sinkenden Schiff sitzt, schon.»
«Sinken wir?»
Sie lachte und schloss wieder die Augen. Das Wasser schlug angenehm und sanft gegen den schimmernd lackierten Kahn. Wenn der Wind gelegentlich an dem Pavillon zog und die Vorhänge bauschte, hob sich das Boot träge. Campion spürte, dass das Boot sich bewegte, als er auf den Kissen näher rückte.
«Wollen Sie mich heiraten?»
Die Frage wurde so unvermittelt und in demselben neckenden Tonfall gestellt, mit dem er über den alten, sinkenden Kahn gesprochen hatte, dass Campion völlig verdutzt war. Es war, als wäre das kalte, plätschernde Seewasser bis in den Pavillon gestiegen.
Sie schlug die Augen auf.
Er lächelte sie fragend an.
Seit Januar hatte sie auf diese Frage gewartet, und doch war sie, als sie ihr jetzt gestellt wurde, plötzlich sprachlos.
Mit den Fingern fuhr er über ihre Stirn und streichelte sie zart. «Sie müssen mir nicht jetzt antworten. Ich habe lange darüber nachgedacht, meine Liebe, lange und gründlich, und es ist nur gerecht, dass Sie dasselbe tun.» Die Worte klangen gestelzt. Nun, das taten solche Worte wohl immer.
Sie setzte sich auf, schob seine Hand weg und sah ihn an. «Lewis?»
«Campion?»
Sie wusste nicht recht, was sie ihn fragen wollte. Wenn sie über diese Situation nachgedacht hatte, hatte sie geglaubt, sie würde ohne Zögern ja sagen, doch jetzt stellte sie ganz plötzlich fest, dass ihr nüchtern veranlagter, vernünftiger Sinn nachforschen und sondieren wollte. Unsicher schüttelte sie den Kopf. «Heiraten?»
Er lächelte. «Das machen die Leute, wissen Sie.»
Sie lächelte zurück und wünschte, er hätte keine Eiercreme am Schnurrbart.
Dann dachte sie an ihren Vater und seine Wünsche. Sie sollte heiraten. Sie schaute in Cullodens rosafarbenes Gesicht, das um die Augen ein bisschen zu fleischig war. Ihr Vater hatte vermutlich recht. Dieser Mann, dieser zuverlässige, rechtschaffene Mann würde Lazen gegen eine unsichere Zukunft verteidigen.
Er verstand ihr Zögern als Zweifel, setzte sich gerader auf und zog genau wie sie die Knie an, wodurch der Kahn leicht in seinem schlammigen Bett schaukelte. «Ich möchte nicht Ihr Leben zerstören, ich möchte Sie nur glücklich machen.» Er strich über beide Spitzen seines Schnurrbarts. «Natürlich verlasse ich das Regiment, deswegen reise ich nach London, um mein Offizierspatent zu verkaufen. Lazen ist Ihr Leben, es wird auch mein Leben sein, und wenn Toby zurückkehrt, werden wir in der Nähe leben.» Er zuckte die Achseln und wirkte wieder so unsicher wie in den ersten Tagen, nachdem
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