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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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hat.»
    Geraint Owen wusste stets, wann er entlassen war. In diesem Augenblick war er zum ersten und einzigen Mal «Mister» genannt worden. «Es würde nicht schaden, seinen Brief zu lesen, Mylord», sagte er und stand auf.
    Lord Paunceley hielt Tobys Bericht über den Papierkorb. «Schaden? Es würde mir extrem wehtun!» Er ließ den Brief auf den anderen Abfall fallen. «Sagen Sie ihm, er soll mit dem weitermachen, womit ich ihn beauftragt habe. Und er soll seine Einfälle vergessen! Sagen Sie ihm, mit meinem tiefsten Respekt, dass er ein kretinhafter Affe ist.» Er lächelte. «Gute Nacht, Owen.»
    Owen blieb stehen, als wollte er mit seinem Herrn streiten, doch er wusste, dass er nichts erreichen würde. Er nickte. «Mylord.»
    Paunceley wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte und das Knirschen der Dielenbretter ihm verriet, dass Owen einige Schritte den Flur hinuntergegangen war; erst dann beugte er sich nach rechts, um Toby Lazenders Brief wieder aus dem Papierkorb zu fischen.
    Er legte ihn auf Leda mit dem Schwan und las ihn einmal durch. Dann erhob er sich mit sichtlicher Mühe und schlurfte zum Feuer, warf beide Briefbögen auf die Kohlen und schaute zu, bis der letzte Fetzen verbrannt war.
    Anschließend ging er zurück zu seinem Schreibtisch, schob das kostbare Buch beiseite und nahm ein frisches Blatt Papier. Er entstöpselte sein Tintenfass, wählte eine Feder und schrieb einen Brief, den er nicht den Boten der britischen Majestät anvertrauen würde, auf keinen Fall. Der Brief betraf das Schicksal von Lazen. Während die Feder Seiner Lordschaft rasch über das Blatt kratzte, erstarrte seine Miene zu einer boshaften Fratze. Er streute Sand über den Brief, faltete ihn zusammen, versiegelte ihn, und als die Glocken der St. Margaret’s Church Mitternacht schlugen, zog Seine Lordschaft an der Klingel, die seine Kutsche herbeirief.
    Wie praktisch, dachte er, als er den Brief zwischen den unzüchtigen Seiten seines seltenen Buches versteckte, dass sich der Zigeuner in London aufhielt. Er würde diesen Brief überbringen, denn der Zigeuner war ein Bediensteter von Lord Paunceley, und dieser Brief betraf eine Angelegenheit, mit der der Zigeuner befasst war. Als Seine Lordschaft in seine Kutsche stieg, schaute er hinauf in die verqualmte Dunkelheit des Londoner Himmels, als könnte er in dieser rußigen Schwärze die Ranken des Teufels riechen und die Intrigen, die von hier nach Paris und in sämtliche Hauptstädte Europas reichten. Böses, Intrigen, Verschwörungen und Kriegslisten, das war die Welt von Lord Paunceley, dieses alten, brutalen, äußerst klugen und geheimnisvollen Mannes.

    Der März brachte Tauwetter ins Tal. Er brachte frischen Wind, der an den kahlen Bäumen zerrte und graue Wolken über Lazen trieb.
    Er brachte dem Tal auch ein Fest königstreuer Briten, das, was niemanden überraschte, bekräftigte, dass der Republikanismus niemals diesen Winkel von Dorset besudeln würde und dass die verdammten Franzosen, wenn sie die Dorchester Road heraufmarschiert kämen, von den Männern von Lazen manch einen heftigen Schlag zu erwarten hätten. In Wirklichkeit ging es bei dem Fest weniger um eine Beteuerung des Patriotismus als um einen Vorwand, dem Grafen zwei Ochsen abzuluchsen, die im Ganzen gebraten wurden, ein Dutzend Fässer Bier, um auf den König anzustoßen, und Wein für die begüterten Männer im Versammlungsraum der Waffenträger von Lazen, von wo aus man auf die bescheideneren Festlichkeiten auf der Hauptstraße blicken konnte. Alle amüsierten sich, ohne von Republikanern oder französischen Invasoren gestört zu werden. George Cartwright, dessen Eifersucht am Heiligabend so heftig entbrannt war, heiratete den hochschwangeren Grund für diese Eifersucht. Der Frühling kam. In Lazen stand allen der Sinn nach Heiraten.
    Doch für Lady Campion Lazender brachte der März keinen Heiratsantrag.
    Der erste April brachte Sonnenschein, der auf die gelben Schlüsselblumen in den Hecken von Lazen schien. Der zweite April brachte einen Brief von Toby.
    Der Earl of Lazen zeigte Campion den Brief. Er beobachtete, wie sie ihn auseinanderfaltete. «Was ist? Du siehst aus, als hättest du eine Spinne gesehen.»
    «Nichts.» Sie lachte. Bei dem Gedanken, dass der Zigeuner den Brief gebracht haben musste, hatte ihr Herz unwillkürlich schneller geschlagen, doch sie wagte nicht, ihr Interesse zu verraten, indem sie danach fragte. Sie hielt Tobys Brief am Fenster ins Licht.
    Es ging ihm gut. Er

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