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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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war fehlgeschlagen. Es war unwahrscheinlich, dass der Engländer am nächsten Tag noch einmal kommen würde.
    So ein Fehlschlag, wusste der Colonel, führte leicht zum letzten Niesen in den blutbefleckten Sack. Er rief nach einem seiner Offiziere, der lesen und schreiben konnte, rief nach einer Laterne, verlangte Wein. Der Offizier, ein feinsinniger Capitaine namens Tours, saß dem Colonel schweigend gegenüber. «Bürger?»
    «Du wirst dir eine Geschichte ausdenken, Tours.»
    «Eine Geschichte?»
    «Warum Le Revenant nicht gekommen ist. Man hat uns berichtet, er sei krank. Wir haben gehört, er …» Damit hatte sich die Phantasie des Colonel erschöpft. «Schreib irgendwas, du Idiot.» Er schenkte sich Wein ein. Er hasste Paris mit seinen geheimen Aufträgen, genau wie seine Macht, ihn an dieser warmen Küste vor Angst zittern zu lassen. Gottverdammter Le Revenant , gottverdammtes Paris, alles war gottverdammt. Er trank.
    Und auf dem Meer, wo die Lily auf den Wellen schaukelte, sah die Mannschaft das Musketenfeuer aufblitzen und hörte wenige Sekunden später Schüsse übers Meer knallen.
    Kapitän Skeat klatschte in die Hände. «Dreht sie vor den Wind!»
    Die Klüver wurden aufgezogen und das schöne Schiff knarrte, als der Wind es vorwärtsschob, der Bug Kurs aufs offene Meer nahm und das Stagsegel den Wind einfing, die Lily sich neigte und das schlanke, schwarze Schiff plötzlich unter vollen Segeln von der feindlichen Küste weg in die Sicherheit des weiten, leeren Ozeans glitt.
    Toby war verraten worden und war immer noch in Frankreich. Er ritt nach Osten, weit weg vom Tosen des Meeres, und er dachte an Lucille und an seine Rache. Der Wiedergänger ritt der Morgendämmerung entgegen.

12
    Lord Culloden war kein Major der Royal Horse Guards mehr. Er erklärte, er habe sein Offizierspatent für viertausend Pfund verkauft, und trug trotzdem noch die prächtige Uniform. Als Campion ihn auf dem obersten Treppenabsatz sah, wo er sie erwartete, überlegte sie gar, ob die Uniform neu war. Er hatte nicht an Gewicht verloren, und doch quoll sein Hals nicht mehr über die bestickte Halsbinde, und die Knöpfe der Uniformjacke spannten nicht mehr. Als sie näherkam, verbeugte er sich. «Bereit, meine Liebe?»
    «Mehr denn je.» Sie lächelte.
    Der Graf hatte sie sehen wollen, bevor der Ball begann, um sie in ihrem Staat zu betrachten und sich ausmalen zu können, welches Bild sie abgaben, wenn sie die große Treppe hinunterschritten. Er hatte sie angelächelt, ihnen alles Gute gewünscht, doch seine gute Laune war rasch von den Schmerzen vertrieben worden. «Geht, Kinder. Genießt den Abend.» Er hatte sie zur Tür gewunken. Campion war zurückgeblieben und hatte ihm einen Kuss gegeben. «Danke für all das.»
    Er versuchte zu lächeln und streckte die Hand nach ihrer Hand aus. «Ich nehme an, dein Bruder ist nicht gekommen?»
    «Nein, Vater.»
    Er seufzte. Er konnte kaum den Kopf bewegen. Seine rotgeränderten Augen verdrehten sich, als er hustete. Dr.   Fenner mischte Laudanum und Brandy. Begierig wartete der Graf auf sein Getränk. «Geh, meine Liebe. Geh.»
    Im Schloss drängten sich die Gäste. Viele Verwandte von Lord Culloden waren gekommen und mit ihnen ein Dutzend Kavallerieoffiziere – großmäulige, lärmende junge Männer, die am Tag zuvor den Rasen südlich des Schlosses bei einem Pferderennen aufgewühlt hatten. Tante Lucretia war erschienen und schnüffelte in den Ecken des Schlosses herum, als überlegte sie, was sie tun würde, wenn ihr Sohn, Sir Julius, es erbte. Die verwitwete Duchesse d’Auxigny, Achilles’ Mutter, hatte sie in Wogen aus schwarzer Seide und weißem Puder heimgesucht und hatte wissen wollen, warum das Banner des Schlosses wegen ihres älteren Sohnes nicht auf halbmast gehisst war. Sie brachte ein teures Quecksilberthermometer mit, um die Temperatur des Wassers in ihrer Waschschüssel zu kontrollieren, und erklärte, zu kühles Wasser würde ihr bereits runzeliges Gesicht vorzeitig altern lassen. Die Duchesse wurde mit ihrer Schar Dienstmädchen und Diener im Gartenhaus einquartiert, wodurch im übrigen Schloss noch mehr Gedränge herrschte.
    An diesem Abend, dem Fest vor der Hochzeit, war auch die ortsansässige Gentry da, Offiziere aus Dorchester, der Bürgermeister von Lazen und der Pfarrer, Reverend Horne Mounter, der die Ankunft des Bischofs kaum erwarten konnte und am Eingang zum Schloss herumwirbelte.
    Als Campion am oberen Ende der Treppe wartete, trug sie ein Kleid aus

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