Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
Bild zurück auf die Staffelei stellte. An den unteren Rand, grau in den Schatten, hatte er die Vermeer-Signatur gesetzt.
    Das hatte ihn Überwindung gekostet.
    Nicht wegen des Risikos, sondern weil er sich dabei wie ein Verräter fühlte. Er hatte das Bild mit seinen Händen erschaffen und nun trug es den Namen eines Fremden.
     
     
     
    Zur Dämmerstunde füllte Henryk frisches Wasser in die Vase und stellte Tulpen hinein. Dazwischen verbarg er eine einzelne Rose. Er räumte die Farbtiegel beiseite, die Paletten und Pinsel und entzündete die Kerzen auf dem Tisch. Wachs schmolz und erfüllte die Luft mit seinem warmen Duft. Die Uhrzeiger näherten sich der Acht.
    Henryk blickte aus dem Fenster. Unten floss der Berufsverkehr. Marthas Wagen war nicht zu sehen.
    Seine Nerven vibrierten. Es war ein Abend wie alle anderen und war es auch wieder nicht. Sie kam, um das Bild abzuholen und um den Abschluss des Werks zu feiern.
    In seiner Hosentasche ertastete er das Geschenk. Seine Finger berührten das Metall, folgten der Rundung und schlossen sich um den kleinen Gegenstand. Sein Herzschlag stieg ihm hoch in die Kehle und sank herab wie ein Vogel mit feuchtem Gefieder.
    Er hatte seine Haare gewaschen und die Locken zu einem ordentlichen Zopf gebunden. Ein Docht knackte und spie einen Funken aus, der langsam in der Luft verglomm. Die Rose zwischen den Tulpen war nach hinten gesunken.
     
     
     
     „Es sieht so festlich aus“, sagte Martha. „So viele Kerzen.“ Die Linien um ihren Mund wirkten schärfer als sonst.
    „Wie war dein Tag?“, fragte Henryk.
    Sie zuckte mit den Schultern und ließ den Mantel zu Boden gleiten. „Sieh mal. Wie findest du es?“
    Ihr Kleid war lang und dunkelblau und ließ den Rücken unbedeckt. Bei jeder Bewegung schimmerten die Falten im Stoff.
    Er lächelte. „Ich bin sprachlos.“
    Sie drehte sich, so dass der Saum um ihre Füße schwang. Ihr Haar lag lose um ihre Schultern. „Nur für dich.“
    Seine Nervosität verklang, die Federn trockneten, die Flügel spannten sich. Er trat nahe an sie heran und ließ einen Finger ihren Rücken hinabgleiten, schlüpfte unter den seidigen Saum. „Dein Kleid ist toll.“
    Mit einer kleinen Drehung entzog sie sich ihm und trat an die Staffelei.
    „Ich will es ansehen“, sagte sie, „bevor wir feiern.“
    Henryk blieb hinter ihr stehen. Leicht bewegte sie den Kopf. Als sie sich vorbeugte, um ein Detail zu betrachten, berührte ihr Arm seine Hand. Die ganze Zeit sagte sie kein Wort. Nur ihre Atemzüge erfüllten die Stille.
    „Im Rahmen wirkt es ganz anders.“
    „Was denkst du?“
    „Der schönste Vermeer, den ich je gesehen habe. Es sieht so echt aus.“
    Warum konnte er keine Freude empfinden, als sie das sagte?
    „Soll ich dir etwas verraten?“
    Er nickte.
    „Du hast mich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass man das schaffen kann.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Einfach so.“
    „Es war nicht einfach so.“
    Martha drehte sich um. Er wünschte plötzlich, er hätte es mit seinem Namen signiert, und nicht mit dem Vermeers. Nicht wegen der Legalität. Wen interessierte das schon? Er dachte, dass sich so eine Mutter fühlen musste, die ihre Kinder verkaufte. Er entkorkte den Wein, nur um seine Hände zu beschäftigen. „Sollen wir darauf anstoßen?“, fragte er leichthin.
    „Bist du traurig?“
    Verstört sah er sie an.
    „Wegen dem Bild, nicht wahr?“ Ein Schatten glitt über ihr Gesicht. „Es ist der Trennungsschmerz.“
    Henryk nickte, überrascht von ihrer Feinfühligkeit.
    Sie hob ihr Glas an und berührte leicht das seine.
    „Du kommst darüber hinweg.“ In ihrem Lächeln lag eine Spur Bitterkeit. „Manchmal muss man Dinge loslassen können.“
    Ihre Finger flochten sich in sein Haar und zogen seinen Kopf dicht zu sich heran. „Komm.“ Ihre Lippen berührten seine Mundwinkel. „Komm, ich helfe dir.“
     
     
     
    Später, als sie neben ihm lag, ihr Kleid zusammengeschoben unter dem Tisch, dachte er an den Ring in seiner Tasche.
    Die Melancholie in seinem Inneren war abgeklungen. Marthas Atem flatterte an seiner Kehle. Es war ein guter Moment. Halb richtete er sich auf.
    „Was ist?“, fragte sie träge.
    „Ich wollte dich etwas fragen.“
    Sie lächelte mit geschlossenen Lidern. Mit dem Zeigefinger berührte er ihre Lippen.
    „Ich habe gedacht – “ Er zögerte. Dann, mit einer raschen Bewegung, griff er nach seiner Hose. Er ertastete den Ring und barg ihn in der Handfläche.
    „Ist es kompliziert?“

Weitere Kostenlose Bücher