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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Nun schlug sie doch die Augen auf. Hell schimmerten ihre Pupillen im Halbschatten.
    „Nein.“ Er schüttelte den Kopf und lächelte nervös. „Nein, gar nicht kompliziert.“
    Sie hatten nie über Liebe gesprochen. Das war etwas für Teenager. Erwachsene Menschen mussten nicht mit ungelenken Worten erklären, was sich nur instinktiv erfassen ließ.
    „Wie kommt das, dass deine Haut sich so weich anfühlt?“, fragte sie.
    „Feine Härchen.“
    „Ich könnte den ganzen Tag deine Haut streicheln.“ Sie lachte. „Verrückt, oder?“
    Der Ring brannte kalt zwischen seinen Fingern.
    „Ich möchte dir etwas schenken.“ Er drehte sich halb herum. Ihre Hand glitt von seiner Hüfte ab. „Hier“, Kerzenlicht fing sich im glatten Schliff, „wenn du es willst.“
    Marthas Augen verengten sich. „Was soll das?“, fragte sie ruhig. Sie griff nicht nach dem Ring. Sie tat gar nichts. Sie lag nur da und sah ihn an.
    Henryk ließ seine Hand sinken. „Ich habe mich gefragt, wie es zwischen uns weitergeht.“
    „Hast du den Eindruck, das wäre notwendig?“
    Hilflos zuckte er mit den Schultern. Es lief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. „Du hast es gerade gesagt. Manchmal muss man Dinge loslassen können.“ Sein Lächeln fühlte sich an wie festgefroren auf den Lippen. Er musste etwas sagen, etwas tun, irgendetwas, um sie zu überzeugen. „Ich dachte, deine Ehe ...“
    Der Satz blieb zwischen ihnen hängen.
    Martha richtete sich auf. „Du denkst, das wäre eine gute Gelegenheit, mich scheiden zu lassen?“
    Henryk schwieg.
    „Ja?“, fragte sie.
    Er schloss die Faust um den Ring. „Ich dachte, er bedeutet dir nichts.“
    „Schade.“ Sie stieß den Atem aus. „Ich hatte gehofft, dass es nicht darauf hinauslaufen würde.“
    Henryk sah ihr zu, wie sie sich anzog. Zuerst die Unterwäsche, dann das Kleid. Sie bat ihn nicht, die Haken zu schließen. Er wollte etwas sagen und fand keine Worte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er wusste nur, dass er einen Fehler begangen hatte. Einen schrecklichen Fehler, und dass seine Welt zu verrutschen begann.
    „Was habe ich falsch verstanden?“, fragte er.
    In Marthas Blick lag Bedauern. Das verletzte ihn.
    „Es tut mir leid.“ Er wollte noch etwas hinzufügen. Wollte sie bitten, die Sache mit dem Ring zu vergessen und einfach dort weiterzumachen, wo sie zuvor aufgehört hatten.
    Aber sie ließ ihn nicht.
    „Ich führe mein Leben“, sagte sie, „und du führst dein Leben. Und manchmal besuchen wir uns in unseren Welten. Kannst du das nicht verstehen?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Dann muss ich es anders erklären.“ Ihre Stimme kühlte ab. „Das hier ist nett. Wir haben eine gute Zeit. Aber es ist nicht die Realität. Was glaubst du, passiert, wenn ich die Scheidung einreiche, um mich mit einem Künstler zu verloben, der bis vor vier Monaten noch nicht wusste, wie er seine Miete bezahlen soll? Mein Mann und ich, wir führen unsere Kanzlei als Partner. Unsere Kunden schätzen Stabilität. Es wäre ein Problem, wenn wir uns wegen einer Liebschaft überwerfen. Er vögelt seine Sekretärin, was soll’s. Solange er sie nicht in unser Haus bringt, ist es seine Sache.“
    Henryk starrte sie an.
    „Ich hatte gehofft, das mit uns würde länger dauern. Es hat mir gefallen.“ Sie schlüpfte in ihre Schuhe. Ganz kurz nur glaubte er Zweifel in ihrer Miene zu lesen. „Andererseits kann ich nicht zulassen, dass du dich in etwas verrennst. Den Schmerz möchte ich dir gern ersparen.“
    Feuchtigkeit traf sein Gesicht, als sie ihren Mantel ausschüttelte.
    „Vielleicht“, sie machte eine Kopfbewegung zum Bild hin, „schickst du es mir einfach in den nächsten Tagen.“ Sie klinkte die Tür auf. Kalte Luft strömte vom Flur herein. „Dann weise ich das restliche Geld an.“
    Krachend fiel die Tür ins Schloss.
    Henryks Finger lösten sich, als besäßen sie einen eigenen Willen. Der Ring stürzte zu Boden und rollte noch ein Stück weiter, bevor er liegen blieb.
     
     
     
    Er erinnerte sich später kaum mehr an den Rest der Nacht. Er bemerkte nicht einmal, dass seine Finger bluteten.
    Es fiel ihm erst auf, als er das Fenster aufriss und rote Abdrücke auf dem Rahmen zurückblieben.
    Verwirrt starrte er seine Handflächen an. Schnitte durchzogen die Haut. Auf einigen hatte sich feiner Schorf gebildet. Aus einem tiefen Riss aber, der sich quer über alle vier Finger zog, sickerte kontinuierlich Blut.
    Er taumelte zurück, umklammerte eine Tischkante und prallte mit

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