Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
waren damals schon verheiratet, und er meinte, wenn ich schon unbedingt arbeiten wolle, könnte ich das doch mit ihm zusammen tun. Seitdem kümmere ich mich um sein Büro. Ich schreibe seine Artikel, ich mache die Buchführung, alles was eben so anfällt.“
Henryk fragte sich, ob sie den Verriss verfasst hatte, der im Standaard über seine Ausstellung gedruckt worden war. Doch er sprach die Frage nicht aus.
„Also keine Innenarchitektur.“ Er sah einer Katze nach, die vor ihnen über die Straße huschte und in einer Toreinfahrt verschwand.
„Sie sehen ja, was dabei herausgekommen wäre“, erwiderte sie, noch immer den amüsierten Ton in der Stimme. „Ich berate unschlüssige Wohnungsbesitzer beim Kauf ihrer Möbel.“
Sie wichen einer Pfütze aus. Helene bog in die Rue Haute, eine ruhige Straße, die vom Kirchplatz aus tiefer in die Wohnviertel führte. Hübsche Häuserfronten in Weiß und Gelb, dazwischen Klinkerfassaden. Sie passierten eine Kunstgalerie und eine Metallwerkstatt und blieben vor einem Haus mit geschmiedeten Balkongittern stehen.
„Hier“, sagte Helene.
Es war ein unauffälliges Geschäft. Auf die Glastür war ein Logo aufgedruckt, T9. Als sie eintraten, legte sich der Duft nach Holz und Leinen wie ein Kokon um ihre Sinne. Ein verwinkelter Ladenraum schraubte sich in die Tiefen des Hauses.
„Hier finden Sie die schönsten Möbel der Stadt.“
Eine plötzliche Unsicherheit übermannte ihn. Zögernd machte er ein paar Schritte in den Raum. Wie von selbst glitt seine Hand über eine polierte Tischplatte.
„Italien“, klang eine Stimme hinter ihm auf. „Studio de Lucchi. Eine italienische Meisterwerkstatt in der Nähe von Mailand.“
Reflexartig zog er die Finger zurück.
Der Verkäufer war ein hagerer Mann mit kurz geschnittenen grauen Locken. „Es ist ein Einzelstück. Gefällt es Ihnen?“
Er nickte. Ein Anflug von Ärger trübte seine Wahrnehmung. Ärger über sich selbst, über seine Unsicherheit, über die Röte, die seine Wangen befleckte. Das verhasste Gefühl, wieder ein Kind zu sein, das sich im zu großen Anzug seines Vaters aus dem Haus gestohlen hatte und die neugierigen Blicke der Passanten auf sich zog. Und Helene, die hinter ihm stand, deren Parfüm er riechen konnte, die er beeindrucken wollte.
„Aus welchem Holz ist er gemacht?“ Zu hastig, zu bemüht. Die Silben stolperten ungelenk.
„Walnuss.“ Der Verkäufer schien sein Unbehagen nicht zu bemerken oder tat zumindest so. „Das ist Massivholz, kein Furnier.“ Ein knotiger Finger fuhr über die Kante. „Die Tischplatte besteht aus geölten Brettern. Alles handwerklich gearbeitet. Und hier, die Einlegearbeiten an den Seiten, das ist Koa.“
„Koa?“, fragte Helene.
Henryk betrachtete die hellen Linien, eine Art Bandornament. Das war ihm gar nicht aufgefallen. Alle vier Stirnseiten trugen Intarsien.
„Das Holz stammt aus Hawaii. Kommt ursprünglich aus dem Instrumentenbau.“
„Schön“, murmelte Henryk.
Helene machte eine Handbewegung in Richtung des Raums. „Können wir uns ein bisschen umsehen?“
„Sicher.“ Der Mann lächelte. „Wenn Sie mich brauchen, ich bin dort hinten.“
„Kommen Sie, setzen Sie sich rein!“
Helene ließ sich selbst in die Liege fallen, eine Hommage an die LC4 von Le Corbusier. Henryk versuchte, nicht auf ihre Beine zu starren, als ihr Kleid verrutschte.
„Die sitzt sich gut.“ Sie lehnte sich vor und streckte eine Hand aus.
Einen Lidschlag zu spät bemerkte er, dass sie von ihm erwartete, ihr beim Aufstehen zu helfen. Hastig fasste er nach ihr, aber sie zog ihren Arm im gleichen Moment zurück und richtete sich aus eigener Kraft auf.
„Los, probieren Sie ihn aus.“
Verlegen ließ er sich in die Polster sinken.
Sie blickte auf ihn herunter. „Und?“
„Er ist bequem.“
In ihren Augen blitzte ein Funken Spott auf. „Möbel kaufen kann Spaß machen, ob Sie es glauben oder nicht. Wann haben Sie das letzte Mal Möbel gekauft?“
Er dachte mehrere Herzschläge nach, welche Antwort er geben sollte.
Ihr Lächeln bekam eine herausfordernde Note.
„Sie glauben mir das sowieso nicht.“
„Was?“
„Dass ich noch nie Möbel gekauft habe.“
„Im Ernst?“
„Ich schwöre es.“ Er erhob sich aus den Lederpolstern.
„Aber wie haben Sie bisher gewohnt?“
Sie schlenderten zu einer Sitzgruppe aus blauem Leder.
„Sie meinen, wie ich immer noch wohne?“ Die Anspannung fiel von ihm ab. Helene machte sich nicht über ihn lustig,
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